Cranberry-Präparate zur Prävention neu bewertet |
Juliane Brüggen |
28.03.2022 16:00 Uhr |
Da die Antibiotika-Prophylaxe mit Nebenwirkungen behaftet ist, suchen viele Frauen eine pflanzliche Alternative zur Vorbeugung von Harnwegsinfekten. / Foto: Getty Images/fotodrobik
»Der präventive Einsatz von Cranberry-Präparaten kann bei Frauen mit unkomplizierter wiederkehrender Blasenentzündung sinnvoll sein.« So beschreibt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) das Ergebnis des HTA-Berichts. HTA steht für Health Technology Assessment und bedeutet, dass eine medizinische Maßnahme systematisch bewertet wird .
Ob pflanzliche Mittel bei wiederkehrenden Harnwegsinfektionen helfen, hatte eine Bürgerin beim ThemenCheck Medizin des IQWiG erfragt. Hier können sich interessierte Einzelpersonen mit Themenvorschlägen einbringen. Die Erstellung des HTA-Berichtes übernahmen externe Sachverständige unter der Federführung der »Gesundheit Österreich GmbH«.
In die Bewertung wurden 15 randomisiert kontrollierte Studien zu verschiedenen Phytopharmaka eingeschlossen, die allerdings oft ein hohes Verzerrungspotenzial aufwiesen. Im Großteil der Studien wurden Cranberry-Präparate in unterschiedlichen Zusammensetzungen und Darreichungsformen (Kapseln, Tabletten, Säfte) untersucht. Einige der Studien lieferten Hinweise darauf, dass die Einnahme von Cranberry die Rezidivrate im Vergleich zu Placebo verringern oder die Zeit bis zum ersten Rezidiv verlängern kann, heißt es im HTA-Bericht.
Demnach hatten unter Placebo etwa 8 von 100 Frauen innerhalb von drei Monaten mindestens eine unkomplizierte Harnwegsinfektion, während es unter Cranberry-Präparaten etwa 5 von 100 Frauen waren. 3 von 100 Frauen konnten also in diesem Zeitraum eine Blasenentzündung vermeiden, indem sie das pflanzliche Präparat einnahmen. Um einen Effekt zu erzielen, sei aber in der Regel die kontinuierliche Einnahme erforderlich, so die Wissenschaftler.
Im Vergleich mit einer Antibiotika-Prophylaxe (Trimethoprim/Sulfamethoxazol) zeigten Cranberry-Präparate einen geringeren präventiven Nutzen. Zu bedenken sei allerdings, dass Antibiotika mit deutlichen Nebenwirkungen und Risiken wie Verdauungsstörungen oder Resistenzbildungen bei den Keimen verbunden seien.
Die S3-Leitlinie zu unkomplizierten Harnwegsinfektionen (2017) empfiehlt die Antibiotika-Prophylaxe bei rezidivierenden Infekten erst, wenn andere Maßnahmen wie Verhaltensänderungen oder nicht-antibiotische Präventionsmöglichkeiten nicht wirksam waren und die Patientin einen hohen Leidensdruck hat. In Frage kommen beispielsweise Antibiotika wie Nitrofurantoin oder Trimethoprim/Sulfamethoxazol, die dann über einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten eingenommen werden.
Zu den Nebenwirkungen einer Behandlung mit Cranberry-Extrakt lieferten die Studien nur wenige Daten. Insgesamt seien die Präparate gut vertragen worden, schwerwiegende Nebenwirkungen blieben aus. Einzelne Teilnehmerinnen berichteten von Magen-Darm-Beschwerden wie Blähungen oder Durchfall.
Unklar bleibt, welche Dosis und Zusammensetzung es braucht, damit ein Cranberry-Extrakt in der Prävention von Harnwegsinfektionen wirksam ist. Die Studien enthielten dazu nur ungenaue Angaben. Die Autoren betonen, dass es hochwertiger Studien bedürfe, um diese Fragen zu klären. Die unübersichtliche Marktsituation mache es den Patienten nicht leicht: Cranberry-Präparate sind teils als pflanzliche Arzneimittel, teils als Nahrungsergänzungsmittel im Handel. Bei Letzteren braucht es weder ein Zulassungsverfahren noch einen Wirksamkeitsnachweis.