Das erste Jahr nach dem Schlaganfall zählt |
»Wir mussten die bittere Erfahrung machen, dass wir für jede Hilfe außerhalb der Familie kämpfen mussten«, lässt Gruhn eine Angehörige in seinem Buch zu Wort kommen. Seine Tipps: Sich bereits kurz nach der Diagnose über das Krankheitsbild Schlaganfall und die Therapiemöglichkeiten informieren. Sich zügig um einen Reha-Platz und während der Patient in der Reha ist um ambulante Physio-, Ergo- oder Logopädietermine kümmern. Am besten bei Behandlern mit der Spezialisierung auf neurophysiologische Therapie und bei solchen, die interprofessionell zusammenarbeiten und den individuellen Bedürfnissen des Patienten entsprechend an und mit ihm arbeiten. Auch wichtig: Auf einen ausführlichen Entlassungsbericht aus der Reha mit Therapieempfehlung für den Hausarzt pochen.
Was viele Hausärzte und Betroffene laut Gruhn nicht wissen: Der Hausarzt kann einem Patienten im ersten Jahr nach seinem Schlaganfall bis zu fünfmal Ergo- und Physiotherapie verordnen, solange er das Gefühl hat, dass es dem Patienten hilft.
Es gibt unheimlich viel Potenzial aufzuwecken, gerade auch um zu verhindern, dass sich Gelenke aufgrund von Fehl- oder ausbleibender Bewegung versteifen, was mit Folgeproblemen für den Betroffenen und viel höheren Folgekosten für das Gesundheitssystem verbunden ist als eine intensive Therapie kurz nach dem Schlaganfall«, so Gruhn. Daher sollten sich Angehörige nicht von Ärzten oder Krankenkassen abwimmeln lassen. Im Gegenteil: Sie müssten »lernen, zu drängeln«.
Gruhn empfiehlt eine intensive Therapiephase für vier bis acht Wochen: je zwei bis vier Behandlungen Physio- und Ergotherapie für je 50 bis 60 Minuten pro Woche (am besten neurophysiologische Therapie) im zweiten und dritten Monat nach einem Schlaganfall. Zusätzlich sollten die Betroffenen täglich zu Hause Übungen machen und bei Bedarf logopädische Hilfe in Anspruch nehmen. Die neurophysiologische Therapie fördere die Wahrnehmung, sei spannungsregulierend, mache aktiver und sei prinzipiell nicht anstrengend. Dennoch sei es wichtig, auf Zeichen von Überlastung zu achten und regelmäßig Pausen einzulegen.
»Diese intensive Therapiephase zielt darauf ab, den Alltag wieder so eigenständig und frei wie möglich gestalten zu können«, sagt Gruhn. Die Behandlung könne man anschließend ausschleichen lassen, sie könne in den Folgejahren jedoch ein- bis zweimal jährlich für eine Woche je nach Bedarf durchgeführt werden.