Das Gedankenkarussell stoppen |
Zu viel Grübeln ist ungesund. Steht das Gedankenkarussell nicht mehr still, sollten Betroffene gegensteuern. / Foto: Getty Images/Westend61
Der Wecker zeigt bereits 2 Uhr nachts und noch immer dreht sich das Gedankenkarussell. Abschalten lässt es sich nicht, egal wie sehr man sich bemüht. An Schlaf ist kaum mehr zu denken und die Verzweiflung darüber steigt mit jeder Stunde, die man länger wach liegt. Dieses Szenario ist typisch für nächtliches Grübeln und Sorgen – es setzt bevorzugt dann ein, wenn wir zur Ruhe kommen und einschlafen wollen.
In der Psychologie ist Grübeln definiert als ein anhaltender Denkprozess, bei dem es keinen Endpunkt gibt und kein Impuls entsteht, das Denken zu unterbrechen. Es ist in der Regel auf vergangene, negative Erlebnisse gerichtet und durch eine kritisch-selbstabwertende Denkweise geprägt. Häufig versuchen Grübelnde zu ergründen, warum eine Situation in der Vergangenheit auf eine bestimmte Art und Weise verlaufen ist. Dabei gehen sie äußerst kritisch mit sich ins Gericht, geben sich die Schuld am Geschehenen und werten sich selbst ab. Abgegrenzt wird das Grübeln von Sorgen. Hierbei sind die Gedanken nicht auf die Vergangenheit gerichtet, sondern in die Zukunft. Im Mittelpunkt stehen mögliche Gefahren, Ereignisse oder Schicksalsschläge und Maßnahmen, diese zu umgehen.
Anders als Nachdenken helfen Grübeln und Sorgen nicht, ein Problem zu lösen oder für die Zukunft besser gewappnet zu sein. Sie hinterlassen vielmehr negative Gefühle, dämpfen die Stimmung und mindern den Selbstwert. Treten sie häufig und anhaltend auf, sprechen Psychiater von pathologischem Grübeln. Hierbei handelt es sich um eine extreme Form des Gedankenkreisens, bei dem immer wieder dieselben Fragen gestellt und Gedanken gedacht werden. Eine Lösung oder ein Ausweg ergibt sich nicht, dafür gerät der Körper in einen stressvollen Dauerzustand, in dem er keine Entspannung mehr findet. Das ständig laufende Gedankenkarussell sorgt für einen permanente Ausschüttung von Stresshormonen. Die begleitenden negativen Gefühle wirken als zusätzliche Stressoren auf den Körper. Zu den Folgen zählen ein erhöhter Blutdruck, eine gesteigerte Herzrate sowie Kopf- und Rückenschmerzen. Beeinflusst das Grübeln den Schlaf, begünstigt es die Entwicklung von Schlafstörungen.
Pathologisches Grübeln nimmt viel Zeit in Anspruch, wodurch andere Aktivitäten eingeschränkt werden oder wegfallen. Es richtet den Blick auf die Vergangenheit und schränkt das aktuelle Leben ein. Zudem kreisen Betroffene durch das Grübeln verstärkt um sich selbst, wodurch zwischenmenschliche Beziehungen negativ belastet werden. Je länger pathologisches Grübeln anhält, desto schwerer fällt es, die negativen Gedanken loszulassen und desto intensiver beeinflusst es die Psyche. So ist bekannt, dass anhaltendes Grübeln depressive Phasen auslösen kann. Auch in der Entstehung und Aufrechterhaltung von Depressionen scheint Grübeln eine Rolle zu spielen. Zudem kann es Symptom einer Angststörung, eines Traumas oder einer Zwangsstörung sein.
Bei allen Erkrankungen dient das Grübeln dem Versuch, die Situation zu kontrollieren und die Betroffenen vor akutem Scheitern zu bewahren. Unterschiede gibt es bei der Art des Grübelns. So haben depressive Menschen den Eindruck, dass das Grübeln von ihnen selbst ausgeht. Sie grübeln in der Regel über realistische Vorstellungen, während sich bei Menschen mit einer Zwangserkrankung die Gedankenspirale eher um absurde Annahmen dreht (zum Beispiel: »Wenn ich auf die Linie trete, wird ein Mensch sterben.«). Typisch ist zudem, dass Zwangserkrankte versuchen, die Gedanken mithilfe einer Zwangshandlung zu unterdrücken.