Das Klingeln im Ohr |
Beim subjektiven Tinnitus bleibt die Ursache häufig unklar. Forscher vermuten, dass das Gehirn Geräusche falsch verarbeitet. So können zum Beispiel geschädigte Haarzellen im Innenohr fehlerhafte Signale weiterleiten, die das Gehirn dann als Tinnitus wahrnimmt. Ebenso kann die Ursache direkt im Gehirn liegen. Studien zeigen, dass eine Überaktivität im Hörzentrum oder ein gestörtes Zusammenspiel mit anderen Netzwerken für Aufmerksamkeit, Ruhe und Sinnesverarbeitung Töne stärker ins Bewusstsein rücken könnten.
Erst kürzlich konnten Forscher mithilfe KI-gestützter Analysen zeigen, dass Tinnitus durch das Zusammenspiel zweier Prozesse entstehen kann: dem »Predictive Coding«, bei dem das Gehirn versucht, Geräusche vorherzusagen, und der »Adaptive stochastic resonance«, bei der das Gehirn mithilfe neuronalen Rauschens leise Töne besser wahrnehmbar macht. Beide Mechanismen zusammen könnten erklären, warum Betroffene Töne hören, die in Wirklichkeit gar nicht existieren. Daraus könnten sich in Zukunft weitere Therapieansätze ergeben.
Fachleute diskutieren zahlreiche Auslöser und Risikofaktoren für einen Tinnitus, die eine solche Fehlverarbeitung begünstigen können. Dazu zählen unter anderem eine anhaltende Lärmbelastung, Knalltraumata oder altersbedingte Schwerhörigkeit. Auch ein Verschluss des Gehörgangs durch Ohrenschmalz (Cerumen obturans) oder Erkrankungen des Ohres wie Mittelohrentzündungen oder Verknöcherungen im Bereich des Mittel- und Innenohrs (Otosklerose) können eine Rolle spielen. Darüber hinaus gelten auch bestimmte Medikamente als mögliche Auslöser, etwa bestimmte Antibiotika aus der Gruppe der Aminoglykoside, hoch dosierte Salicylate, Diuretika oder Zytostatika. Nicht zuletzt können auch psychische Belastungen, anhaltender Stress, Schlafmangel, Muskelverspannungen sowie Kiefergelenksprobleme das Auftreten oder die Wahrnehmung von Tinnitus begünstigen und verstärken.
Werden die Beschwerden chronisch und fühlen sich die Betroffenen in ihrer Lebensgestaltung eingeschränkt, sollte ärztlicher Rat eingeholt werden. Besonders bei pulsierendem Tinnitus ist es wichtig, Gefäßveränderungen auszuschließen. Aber auch Herz-Kreislauf- und Zahnerkrankungen können eine Rolle spielen. Um Tinnitus umfassend besser einschätzen zu können, nutzen HNO-Ärzte häufig standardisierte Fragebögen.
Liegt der Verdacht auf zentrale Ursachen nahe, können bildgebende Verfahren wie Magnetresonanztomografie (MRT), Computertomografie (CT) oder Ultraschall zum Einsatz kommen. Werden gefäßbedingte Ursachen ausgeschlossen, folgen im Anschluss weitere Untersuchungen des Hörsystems wie Hörtests, mikroskopische Ohruntersuchungen, Ohrdruckmessungen sowie Untersuchungen der Nasennebenhöhlen und des Rachens. Im sogenannten Tinnitus-Matching wird außerdem festgestellt, wie laut ein Patient seinen Tinnitus im Vergleich zur Hörschwelle empfindet (Tinnitusintensität in dB) und welche Tonhöhe die Ohrgeräusche haben (Frequenzcharakteristik in kHz).