Das stört den guten Ton |
Bei Vielsprechern ist Vorbeugung das A und O. Denn etablieren sie das richtige Verhalten im Alltag, werden die Stimmlippen beim Sprechen gar nicht erst belastet. Jeder Mensch hat eine unterschiedliche Tonhöhe und Stimmlage, bei der die Stimmlippen beim Sprechen entspannt sind. Logopäden nennen dies auch »Wohlfühlton«. Um ihn zu finden, müssen wir nur aufmerksam beobachten, welche Stimme wir bei einem entspannten Gespräch in ruhiger Atmosphäre mit Freunden oder dem Partner wählen. Dabei nutzen wir ganz automatisch unseren Wohlfühlton mitsamt Bauchstimme und es darf der gesamte Torso als Resonanzkörper dienen.
Im Gegensatz dazu hat sich bestimmt jeder schon einmal dabei ertappt, wie die Stimme bei Aufregung eine Tonlage höher rutscht, als man es eigentlich möchte. Das ist die Kopfstimme. Man presst den Klang förmlich heraus, nur der Kopf bildet den Resonanzkörper. Die Folge: Es fehlt die Tiefe im Klang. Das ist nicht nur anstrengend für den Sprecher, sondern auch für den Zuhörer. Schließlich nimmt auch die Körperhaltung großen Einfluss auf die Stimme. Im Idealfall ist der Brustkorb geöffnet und die Schulterblätter ziehen leicht zusammen. So aufgerichtet fällt auch die Atmung leicht. Wölbt sich der Bauch spürbar, nutzt man das gesamte Lungenvolumen und die Sprache wirkt automatisch entspannt und sympathisch. Besonders wenn PTA und Apotheker bei voller Offizin gegen einen hohen Lärmpegel ansprechen müssen, sollten sie sich noch einmal bewusst aufrichten. In Sprechpausen ruht die Zunge am besten direkt hinter den Schneidezähnen, um die Kiefermuskulatur zu entspannen.
Die Devise lautet: locker bleiben! Doch während Aufwärmen bei Sportlern vor einem Spiel ganz normal ist, beachten das nur dir wenigsten vor einem Vortrag oder redereichen Tag. Dabei genügt es oft schon, im Wohlfühlton »mmmh« zu summen und dabei die Tonlage nach unten ausklingen zu lassen. Die Lippen können wunderbar mit einem ausgiebigen „B“ vibrieren, während beim Seufzen oder Gähnen die Kehlkopfmuskulatur entspannt. Am besten betreffen die Lockerungsübungen den ganzen Körper. Also Kopf, Schultern und Arme kreisen lassen oder als »Zappelphilipp« Arme und Beine ausschütteln.
Um die Artikulation zu schulen, benutzen Schauspieler gerne die Korkenübung. Probieren Sie es doch mal aus: Zunächst sprechen Sie ein oder zwei Sätze mit einem Kugelschreiber oder Korken zwischen den Zähnen. Wenn sie den gleichen Satz danach ohne Korken sprechen, klingt die Aussprache direkt viel klarer. Um einer Überlastung vorzubeugen, dürfen nach einer Rush-Hour auch in der Apotheke keine Sprechpausen fehlen. Aber Gott sei Dank gibt es im Labor oder im Backoffice immer etwas zu tun. Bei der Gelegenheit kann dann auch direkt ein Schluck Wasser oder Tee dabei helfen, die Schleimhäute feucht zu halten.
Bei anfallsartiger Atemnot denken Patienten und Ärzte zunächst an Asthma. Manchmal entpuppt sich die Diagnose allerdings als falsch und dahinter steckt eine Störung der Stimmlippen, die sogenannte »Vocal cord dysfunction« (VCD). Mediziner verstehen darunter eine intermittierende, funktionelle, Atemnot-induzierende laryngeale Obstruktion, das heißt beim Ein- oder Ausatmen verschließen sich die Stimmlippen anfallsartig. Betroffene bekommen keine Luft mehr und geraten aufgrund der bedrohlichen Symptomatik in Panik, was bis zu Erstickungsangst und Notarzteinsatz führen kann. In der Regel hält der Anfall jedoch nur eine halbe Minute bis wenige Minuten an und vergeht von alleine. Die Intensität der Anfälle kann sehr unterschiedlich verlaufen.
Eigentlich ist der Verschluss der Stimmlippen ein sinnvoller Schutzmechanismus des Körpers, wenn etwa bei Reflux Säure in die Lunge zu fließen droht. Im Falle von VCD reagiert der Körper fehlgeleitet. Typische Auslöser einer Attacke sind Hustenanfälle, körperliche Anstrengung, psychische Erregung sowie Reizstoffe in der Luft wie etwa Parfum, Essiggeruch oder Reinigungsmittel. Die genaue Ursache von VCD ist noch immer nicht geklärt. VCD wird heute als Überempfindlichkeit des Kehlkopfs verstanden, der meist eine Reizung vorausgegangen ist. Dies kann beispielsweise Reflux von Magensäure sein oder auch Sekret der Nasennebenhöhlen, das den Rachen entlang läuft.
Eine spezielle medikamentöse Therapie gibt es nicht, allenfalls eine Behandlung von Reflux. Vielmehr setzen Ärzte auf Verhaltenstraining und spezielle Atemtechniken, um Anfälle zu vermeiden und möglichst rasch beenden zu können. Außerdem hilft Betroffenen das genaue Verständnis der Krankheit, um die Symptomatik als weniger bedrohlich einzuordnen. Die Krankheit ist noch relativ unbekannt und wird typischerweise von Pulmologen abgeklärt. Die Diagnostik gestaltet sich allerdings schwierig, auch genaue Zahlen zur Häufigkeit fehlen. Schätzungen gehen davon aus, dass 2,5 bis 22 Prozent der Asthma-Patienten tatsächlich von VCD betroffen sind. Klagen Patienten in der Apotheke also über kaum beherrschbares Asthma trotz intensivierter Therapie, könnte dahinter auch VCD allein oder zusätzlich stecken.