Die Beweislage bei Himbeerketon ist dürftig |
Beeren gelten ohne Zweifel als gesund. Speziell aus Himbeeren gewonnene Substanzen finden Einsatz in Nahrungsergänzungsmitteln. Die Datenlage zu Wirksamkeit und Sicherheit ist dabei schwach. / Foto: Adobe Stock/sundaemorning
Bei der auch als Rheosmin bekannten Phenolverbindung 4-(4-Hydroxyphenyl)-2-butanon handelt es sich um einen natürlichen Aromastoff aus roten Himbeeren, der mitverantwortlich ist für den charakteristischen Geschmack und Duft der Beeren. Die Verbindung ist in verschiedenen weiteren Obstsorten enthalten, darunter in Preiselbeeren, Brombeeren, Kiwis, Pfirsichen und Äpfeln, in einigen Gemüsepflanzen und in der Rinde von beispielsweise Eibe, Ahorn und Kiefer. Die Lebensmittelindustrie nutzt Himbeerketon, um Speisen wie Puddings, Eiscreme oder Süßigkeiten sowie Erfrischungsgetränke zu aromatisieren. Rheosmin ist allerdings einer der teuersten natürlichen Aromastoffe, die in der Lebensmittelindustrie verwendet werden. Aus einem Kilogramm Himbeeren lassen sich nur bis zu vier Milligramm Rheosmin gewinnen.
Die Gewinnung aus natürlichen Erzeugnissen ist dadurch eingeschränkt, dass die Früchte eine begrenzte und nur saisonal verfügbare Ressource sind und auch nur geringe Konzentrationen an Rheosmin enthalten. Daher wird die Substanz meist chemisch etwa durch Kondensation von p-Hydroxybenzaldehyd mit Aceton hergestellt oder in genetisch veränderten Mikroorganismen wie Bakterien oder Hefen biosynthetisiert.
Hersteller von Kosmetika greifen mitunter ebenfalls auf Rheosmin zurück, um ihren Produkten einen fruchtigen Duft zu verleihen. In NEM wird Himbeerketon hingegen mit Gesundheitsversprechen beworben. Die angebliche Anti-Adipositas-Wirkung macht die Supplemente besonders beliebt.
Die Einnahme von Himbeerketon soll die Stoffwechselrate steigern und die Produktion eines Hormons namens Adiponektin erhöhen. Hohe Spiegel an Adiponektin sollen die Fettverbrennung fördern. Zudem soll das Hormon den Appetit unterdrücken. Erniedrigtes Adiponektin wird zum Beispiel bei Patienten mit metabolischem Syndrom beobachtet. Um einen Zusammenhang zwischen Himbeerketon und Adiponektin zu belegen, wird meistens auf eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit übergewichtigen Männern und Frauen aus 2017 verwiesen.
Hier prüften Wissenschaftler, ob ein NEM mit Himbeerketon, Capsaicin, Koffein, Knoblauch und Citrus aurantium den Effekt eines achtwöchigen Diät- und Trainingsprogramms auf die Körperzusammensetzung, den Hüft- und Taillenumfang sowie die Spiegel von Leptin und Adiponektin beeinflusst. Von den Ergebnissen hoben die Wissenschaftler besonders hervor, dass unter Einnahme die Spiegel an Adiponektin stiegen. Diese eine Studie mit nur wenigen Probanden mag zwar interessante Hinweise liefern, eine valide Wirksamkeitsaussage lässt sich daraus jedoch freilich nicht ableiten. Zum einen wurde ein NEM mit einem Cocktail an verschiedenen wirksamen Bestandteilen verabreicht. Zum anderen ist unklar, wie groß der Einfluss von Bewegung und Ernährung auf die beobachteten Ergebnisse war.
Viele dem Himbeerketon zugeschriebenen Effekte wurden nur in Tierstudien beobachtet. Tests an Zellen und Versuche mit Nagetieren zeigten, dass Rheosmin Organe wie Leber, Herz oder Magen schützen und bei Störungen wie Hyperlipidämie oder Fettleibigkeit helfen könnte. Die Substanz scheint den Peroxisom-Proliferator-aktivierten Rezeptor-α (PPAR-α) zu aktivieren, was einige Wirkungen erklären könnte.
Es gibt weiterhin Hinweise darauf, dass Himbeerketon den Stoffwechsel von weißem und braunem Fettgewebe stimuliert und die Aufnahme von Nahrungsfett im Dünndarm hemmt. Antiandrogene, entzündungshemmende und kardioprotektive Eigenschaften zeigten sich in Versuchen ebenfalls. Für die Kosmetikindustrie könnte interessant sein, dass Rheosmin depigmentierende Wirkungen zugeschrieben werden. Die topische Anwendung könnte demnach Pigmentflecken reduzieren.