Die Krankheit erklären |
Barbara Döring |
03.10.2023 14:55 Uhr |
Die Datenlage zu Protonenpumpenhemmern, die beim Reizmagen oft reflexartig – Off-Label – verordnet würden, liegt bei etwa 10 Prozent über Placebo, aber nur bei Patienten, die über Schmerz und Brennen klagen. In der Symptomgruppe mit Völlegefühl seien diese Wirkstoffe eher kontraproduktiv, erläuterte Labenz. Antidepressiva wie Sulpirid haben dagegen eine gute Datenlage. Die Evidenz von Prokinetika sei dagegen gering. Eine kürzlich erschienene Cochrane-Metanalyse belegt die Wirkung verschiedener pflanzlicher Präparate bei Reizmagen. Sehr gut untersucht sei eine Mischung aus Pfefferminz- und Kümmelöl (Carmenthin®). Dabei nimmt die Symptomlinderung über die Dauer der Einnahme zu, auch noch nach zwölf Monaten. Ist der Patient mit der Therapie zufrieden, sei es deshalb möglich, diese über die empfohlenen acht Wochen hinaus zu verlängern, so Labenz.
Auch bei der Diagnose Reizdarm gilt, dass die Beschwerden über mindestens drei Monate bestehen. Stuhlgangveränderungen können, müssen aber nicht auftreten. Voraussetzung ist, dass die Patienten einen Leidensdruck verspüren und keine anderen Ursachen für die Beschwerden gefunden werden. »Der Darm hat wenig Worte, seine Sprache sind Diarrhoe, Obstipation, Blähungen und Flatulenz – allein oder in Kombination«, verdeutlichte Labenz. Der Patient sollte gefragt werden, welches dieser Symptome ihn am stärksten belastet, um das Leitsymptom zu finden. Die Fachgesellschaft bietet einen Algorithmus zur Diagnose, bei der eine gynäkologische Untersuchung obligat und eine Koloskopie fast immer erforderlich ist, zum Beispiel bei chronischem Durchfall oder mehrfach wässrigem Stuhl am Tag. In diesen Fällen liege in der Regel kein Reizdarm, sondern eine andere Problematik vor, die einer intensiven Abklärung bedarf. Zur Basisdiagnostik zählen eine Sonografie und Blut- und Stuhluntersuchungen.
Bei der Therapie des Reizdarms geht darum, akute Beschwerden zu lindern und die Darmgesundheit insgesamt wiederherzustellen. Dabei spielen die Ernährung sowie die Beeinflussung des Mikrobioms und der Psyche eine Rolle. Wichtig sei auch hier, dass die Patienten die Krankheit verstehen und zu ihrem Manager werden, betonte der Experte. Dafür wäre eine empathische Beziehung zum Arzt oder Apotheker entscheidend. Hilfreich sei, persönliche Symptomtrigger herauszufinden wie Nahrungsmittel, am besten mit einem Tagebuch. Zudem sei ein Therapieversuch mit Probiotika oder Phytotherapeutika sinnvoll und bei Durchfall oder Verstopfung die symptomatische Behandlung.