Einfach schlau essen |
Biologin Witte erforscht derzeit noch einen weiteren Nahrungsbestandteil: lösliche Ballaststoffe. »Präbiotika werden im Darm durch das Mikrobiom zu kurzkettigen Fettsäuren verstoffwechselt. Das verbessert zum einen die Darmfunktion, könnte aber auch über Signalwege zwischen Darm und Gehirn positive Effekte auf das Gehirn entfalten«, beschreibt sie den Forschungsansatz.
In einer zweiwöchigen Interventionsstudie bekamen die 59 Teilnehmenden eine Nahrungsergänzung mit Inulin aus der Chicoréewurzel oder ein Placebo. Zu unterschiedlichen Zeitpunkten wurden ihnen Essensbilder gezeigt. Jene, die Präbiotika bekamen, zeigten weniger Lust auf ungesundes Essen als die Kontrollgruppe. »In der Studie haben wir gesehen, dass sich, wenn man viele lösliche Ballaststoffe zu sich nimmt, die Hirnantwort auf hochkalorisches Essen verändert. Es lässt sich also vermuten, dass sich die Nahrung langfristig auf das Essverhalten auswirken könnte. Nach dem Motto: Du bist, was du isst«, fasst Witte das spannende Ergebnis zusammen. In einer längeren Studie dieser Art untersucht die Forschungsgruppe aktuell, ob sich die Ergebnisse bestätigen lassen und wie die Auswirkungen auf Gedächtnisfunktion oder auch Gewichtsverlauf sind.
Doch auch wenn die Brainfood-Forschung vielversprechend ist, gibt Witte zu bedenken: »Die Studienlage ist noch dünn und nicht so aussagekräftig wie etwa bei großangelegten Medikamentenstudien.« Daher sollten Aussagen zu einzelnen Nährstoffen gegenüber Laien richtig eingeordnet werden. »Es gibt keinen Nährstoff, der der Heilige Gral ist, und kein einzelnes Nährstoffsupplement, das das Gehirn zum Beispiel vor Alzheimer schützt«, so die Expertin weiter.
Wichtig seien – wie so oft – verschiedene Faktoren, von denen einer die gesunde Ernährungsweise darstellt. »Eine pflanzenbasierte Kost mit möglichst wenig stark verarbeiteten Lebensmitteln tut den Gefäßen und damit auch dem Gehirn gut«, betont Witte. Die traditionelle Mittelmeerkost ist hier eine mögliche Ernährungsweise. Eine Weiterentwicklung davon, die sogenannte MIND-Diät, soll vor allem positiv auf die kognitive Leistungsfähigkeit wirken (siehe Kasten). »Ich denke jedoch, da kommt es gar nicht auf die ganz feinen Unterschiede an. Es geht darum, dass man die Leute dazu animiert, dass sie insgesamt versuchen, sich besser zu ernähren. Weniger Fastfood, mehr selbst kochen, genügend Ballaststoffe und weniger schlechte Fette und Zucker«, fasst die Expertin zusammen. Auch die Kalorienmenge spiele eine Rolle.
Was für die Gefäße gut ist, nutzt auch dem Gehirn. Daher sind sich Experten einig: Eine traditionelle mediterrane Ernährungsweise wirkt sich positiv auf die Gehirngesundheit aus. Dazu gehören reichlich Gemüse und Obst, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte und Olivenöl, moderate Mengen an Fisch und nur geringe Mengen an Milchprodukten und Fleisch.
Ob eine solche Kostform auch einer Demenz vorbeugen kann, wird aktuell noch erforscht. Auch hier stehen die Mittelmeerküche und eine Weiterentwicklung dieser Kostform, die sogenannte MIND-(Mediterranean-DASH Intervention for Neurodegenerative Delay-)Diät im Fokus. Diese legt neben den genannten Lebensmitteln noch einen Fokus auf den Verzehr von grünem Blattgemüse. Grund: Große Verzehrmengen von Salaten, verschiedenen Kohlarten oder Spinat könnten der Ablagerung von Plaques und Proteinen im Gehirn vorbeugen, die maßgeblich an der Pathogenese der Alzheimer-Erkrankung beteiligt sind. Einige Studien zeigen durchaus positive Ergebnisse und legen nahe, dass die Kostformen tatsächlich im Kampf gegen Demenz helfen könnten.
Eine neuere klinische Studie, die 2023 im »New England Journal of Medicine« veröffentlicht wurde, konnte diesen Zusammenhang jedoch noch nicht beweisen. Familiär für eine Demenz vorbelastete Senioren, die eine leicht kalorienreduzierte MIND-Diät aßen, zeigten nach drei Jahren keine besseren kognitiven Leistungen als die Kontrollgruppe, die lediglich kalorienreduziert aß. Auch hier ist weitere Forschung nötig.