Essen nach der inneren Uhr |
Jeder, der schon einmal über Zeitzonen hinweg geflogen ist, kennt die Beschwerden, wenn der übliche Tagesablauf aus dem Takt gerät. Damit innere Abläufe und Umweltreize wie Tageslicht und Schlaf-Wach-Rhythmus zueinander passen, muss sich bei einem Jetlag der Stoffwechsel erst wieder synchronisieren. Eine sogenannte chronische Desynchronisation tritt auf, wenn Menschen längerfristig gegen ihre biologischen Rhythmen leben beziehungsweise arbeiten müssen. Das betrifft Flugbegleiter und Piloten, die über Zeitzonen fliegen, oder Nacht- und Schichtarbeiter, beispielsweise im Gesundheitswesen oder in Fabriken. Rund 20 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland sind außerhalb der typischen Arbeitszeiten tätig. Forscher gehen davon aus, dass solche nicht synchronisierten Lebensstile mit einem signifikant höheren Risiko für verschiedene Erkrankungen einhergehen. Das betrifft chronische Schlafstörungen, Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und das Risiko, an Krebs zu erkranken.
Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der WHO hat erst im letzten Jahr nächtliche Schichtarbeit als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Die Neubewertung folgt den Ergebnissen zahlreicher aktueller Untersuchungen – vor allem Tier-, aber auch Humanstudien. Professor Dr. Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) berichtet in einer Pressemitteilung des Instituts, dass eine relativ deutliche Assoziation zwischen Nachtarbeit und bösartigen Tumoren der Brust, der Prostata und des Darms auftritt. Da aber widersprüchliche Studienergebnisse vorliegen, gilt Nacharbeit nur als wahrscheinlich krebserregend. Für die Neubewertung analysierten 27 Wissenschaftler aus 16 Ländern die gesamte zum Thema verfügbare wissenschaftliche Literatur. Ihre Einstufung gilt explizit nicht als Risikobewertung. Sie kann also nichts über die Wahrscheinlichkeit aussagen, mit der Nachtarbeit Krebs auslöst. Auch konkrete Empfehlungen für die Bevölkerung wurden von den Experten nicht veröffentlicht.
Spanische Wissenschaftler untersuchten in diesem Zusammenhang, ob der Zeitpunkt der Mahlzeiten mit dem Risiko für Brust- und Prostatakrebs verbunden ist. Dabei berücksichtigten sie zwar keine Nachtarbeiter, aber Lebensstil und Chronotyp. Letzteres ist ein Merkmal für die Präferenz von Aktivitäten am Morgen oder am Abend. Die bevölkerungsbasierte Fall-Kontroll-Studie lief über fünf Jahre und schloss 621 Prostatakrebs- und 1205 Brustkrebspatienten sowie 872 Männer und 1.321 Frauen als Kontrollgruppe ein. Anhand von Fragebögen gaben die Probanden zu Protokoll, wann sie aßen und schliefen und welche Lebensmittel sie verzehrten. Dabei zeigte sich, dass diejenigen, die zwei oder mehr Stunden nach dem Abendessen schliefen, ein um 20 Prozent geringeres Krebsrisiko für Brust- und Prostatakrebs hatten als die Teilnehmer, die unmittelbar nach dem Abendessen zu Bett gingen. Ein ähnlich vermindertes Risiko zeigte sich auch bei denjenigen, die vor 21 Uhr zu Abend aßen, verglichen mit einem Abendessen nach 22 Uhr. Das Fazit der Forscher: Die Einhaltung der täglichen Essrhythmen und insbesondere ein langes Intervall zwischen der letzten Mahlzeit und dem Schlaf seien mit einem geringeren Krebsrisiko verbunden.
Offenbar ist es für die Gesundheit von Vorteil, bei der Gestaltung der Mahlzeiten die tageszeitlichen Rhythmen zu berücksichtigen. So kristallisiert sich zum einen heraus, dass es für den Stoffwechsel günstiger ist, am Morgen ein üppiges Frühstück einzunehmen, statt zum Abendessen große Portionen aufzutischen. Zum anderen scheint es empfehlenswert, das Zeitfenster der Nahrungsaufnahme auf maximal zwölf Stunden zu beschränken. Die Chronobiologie könnte somit ein weiterer Ansatz sein, um durch die Ernährung bedingten Erkrankungen vorzubeugen. Auch Menschen, die Gewicht verlieren möchten, kommen damit möglicherweise schneller zum Erfolg. Wer entgegen seines biologischen Rhythmus arbeiten muss – wie Schicht- und Nachtarbeiter – dem ist anzuraten, mithilfe einer Ernährungsberatung einen optimalen Speiseplan zu entwickeln, um Erkrankungen vorzubeugen.