Frühgeburten verhindern bleibt Herausforderung |
09.09.2021 16:00 Uhr |
In der aktuellen Leitlinie werden der Calciumantagonist Nifedipin, der Oxytocinrezeptor-Antagonist Atosiban und der COX-Hemmer Indometacin zur Wehenhemmung empfohlen. Nur Atosiban ist neben Fenoterol offiziell zugelassen, wobei Fenoterol wegen ungünstiger Nebenwirkungen hierzulande als obsolet gilt. Auch intravenöses Magnesium konnte nicht überzeugen. Es scheint allerdings einen schützenden Einfluss auf die Hirnentwicklung zu haben und wird zur Neuroprotektion genutzt.
Tokolytika wirken mit maximal 48 Stunden sehr kurz. Daher kommen sie üblicherweise vor der vollendeten 34. Schwangerschaftswoche zum Einsatz, um Zeit für die »Lungenreifung« zu gewinnen oder um eine Schwangere noch vor der Geburt in ein erfahreneres Krankenhaus zu verlegen.
Die gewonnene Zeit ist kostbar. Denn besonders die unreife Lunge des Embryos bereitet den Ärzten Kopfzerbrechen: Bei Surfactant-Mangel kollabieren die Alveolen mit der Ausatmung und müssen sich unter viel Atemarbeit mit jedem Atemzug neu entfalten. Werden aber Glucocorticoide rechtzeitig vor der Geburt verabreicht, regen sie die Surfactant-Bildung an, bewirken ein rascheres Reifen der Lungen und senken damit das Risiko für das oben beschriebene Atemnotsyndrom. Dafür erhalten Schwangere zweimal im Abstand von 24 Stunden die umgangssprachliche »Lungenreifespritze« mit Betamethason. Entscheidend ist das Timing: Die Wirkung tritt erst nach 24 Stunden auf und hält rund sieben Tage an. Eine erneute Gabe ist zwar möglich, muss aber besonders streng abgewogen werden.
Um eine Frühgeburt zu verhindern, ist häufig Schonen und Bettruhe nötig – eine sehr belastende Situation für die werdende Mutter. / Foto: Getty Images/Jose Luis Pelaez Inc
Auch Progesteron wird therapeutisch genutzt. Es nimmt eine Schlüsselrolle ein und hemmt Wehen direkt an der Gebärmutter. Gleichzeitig beeinflusst es über zahlreiche Mechanismen auch Muttermund, Plazenta und Eihäute. Das Hormon kann vaginal, oral oder intramuskulär appliziert werden. Die lokale Anwendung ermöglicht eine höhere lokale Bioverfügbarkeit bei besserer Verträglichkeit. Einige Frauen klagen zwar über vermehrten Ausfluss, dafür fallen Müdigkeit oder Kopfschmerzen als Nebenwirkungen weg. Insbesondere Frauen, die vor der 24. SSW einen verkürzten Gebärmutterhals haben, profitieren von vaginal appliziertem Progesteron.
»Es tritt jedoch häufiger die Situation auf, dass der Muttermund ohne erkennbare Wehen dünn und schwach wird und das Baby nicht mehr in der Gebärmutter halten kann«, schildert Albring. Neben Progesteron komme dann auch ein Verschluss des Muttermundes mit einem Pessar oder operativ in Frage. Die Schwangere kann mitarbeiten, indem sie sich schont oder notfalls sogar (Bett-)Ruhe einhält. Jede Art von Stress müsse vermieden werden. »Das kann eine sehr anstrengende Zeit sein«, so der Gynäkologe. Ein Blick auf die rund 200 Seiten lange Leitlinie zur Prävention der Frühgeburt verdeutlicht, dass es kein Patentrezept gibt und vieles unklar bleibt.