Haarausfall an der Wurzel gepackt |
Barbara Döring |
19.05.2023 14:30 Uhr |
Wenn sich plötzlich mehr Haare in der Bürste finden, die Haare insgesamt dünner werden oder stellenweise ausfallen, kann das verschiedene Ursachen haben. Betrachtet man Männer und Frauen zusammen, ist die androgenetische Alopezie die am häufigsten auftretende Form des Haarausfalls. Bei diesem anlagebedingten Haarausfall reagiert die Wachstumszone des Haares überempfindlich auf das männliche Geschlechtshormon Testosteron, genauer gesagt auf sein Stoffwechselprodukt Dihydrotestosteron (DHT). Es verkürzt die Wachstumsphase und lässt die Haarwurzel verkümmern, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird. Dabei lassen sich zwei Formen unterscheiden: der männliche und der weibliche Typ. »Bei der männlichen Form kommt es zunächst zu den typischen Geheimratsecken und der Tonsur am Oberkopf, die unter dem hormonellen Einfluss mit der Zeit größer werden«, erklärt der Dermatologe Professor Dr. Gerhard Lutz, der an der Uniklinik Bonn viele Jahre eine Haarsprechstunde aufbaute und leitete und diese in seiner Praxis fortführte. Am Ende bleibt bei den Männern meist ein Haarkranz stehen, während dies bei Frauen nur bei einer massiven Erhöhung der männlichen Hormone der Fall ist.
Die weibliche Form trifft vor allem Frauen, seltener Männer. Hier lichtet sich das Haar unterschiedlich stark im Bereich des Mittelscheitels, wobei die Stirnhaargrenze erhalten bleibt. Dabei werden drei Schweregrade unterschieden, die bis hin zum vollständigen Verlust des mittigen Haupthaares gehen. Lutz hat diese Klassifikation aus den 1960er-Jahren um den hinteren und seitlichen Bereich des Hauthaares erweitert, der im fortgeschrittenen Stadium ebenso betroffen sein kann. Beide Formen der androgenetischen Alopezie, die männliche und die weibliche, sind somit bei beiden Geschlechtern möglich.
Um das Ausmaß der Alopezie zu dokumentieren und den Erfolg einer Therapie später beurteilen zu können, wird der Arzt eine Übersichtsaufnahme der Kopfhaut erstellen und die Aktivität des Ausfalls mithilfe eines Trichogramms ermitteln. Mit dem Trichogramm kann das Verhältnis von wachsenden und ausfallenden Haaren bestimmt werden. Beim linearen Trichogramm wird eine schmale Kolonne von Haaren epiliert und unter dem Lichtmikroskop ausgewertet. Alternativ wird beim computergestützten Phototrichogramm ein Quadratzentimeter Kopfhaut rasiert, angefärbt und für die digitale Analyse gescannt. »Unabhängig davon, welche Methode zur Anwendung kommt, ist es in jedem Fall wichtig, den Haarstatus standardisiert vor der Therapie zu evaluieren, um die richtige Behandlung einzuleiten und im Verlauf die Effektivität zu kontrollieren«, sagt Lutz. Nach etwa sechsmonatiger Therapie kann ein weiteres Trichogramm durchgeführt werden, um zu beurteilen, in welchem Ausmaß die Haare nachwachsen.
Zur Behandlung der androgenetischen Alopezie stehen für Männer topische und systemische Behandlungen zur Verfügung. Der Wirkstoff Minoxidil wird als fünfprozentige Lösung auf die Kopfhaut aufgetragen, morgens und abends jeweils 1 ml (zum Beispiel Regaine® Männer oder Minoxidil B H Tin 50 mg/ml® für Männer). »Patienten, die es morgens eilig haben oder nach dem Haarewaschen das Haar nicht noch einmal anfeuchten möchten, können auch 2 ml abends anwenden«, rät Lutz. Histologische Studien zeigen, dass es unter der Behandlung zu einer vermehrten Gefäßerweiterung und einer vermehrten Gefäßeinsprossung kommt, das Haarwachstum also durch eine verbesserte Durchblutung gefördert wird. Der Haarausfall besteht, solange die Haarfollikel den hormonellen Einflüssen ausgesetzt sind. Deshalb ist für einen nachhaltigen Erfolg eine dauerhafte Behandlung bis ins hohe Alter erforderlich.
Was ist dran an den Legenden und Trends, die rund um das Thema Haarausfall kursieren? PTA-Forum hat beim Haarexperten Professor Dr. Gerhard Lutz nachgefragt.