Haarausfall an der Wurzel gepackt |
Barbara Döring |
19.05.2023 14:30 Uhr |
Männern steht mit Finasterid zudem eine systemische Therapie zur Verfügung, die ärztlich verschrieben wird. Der 5-alpha-Reduktase-Hemmer wurde ursprünglich für die Behandlung der benignen Prostatahyperplasie zugelassen. Nachdem sich bei einigen Patienten vermehrtes Haarwachstum zeigte, kam Finasterid in geringerer Dosierung als Haarwuchsmittel auf den Markt. »Die Therapie muss ebenfalls dauerhaft durchgeführt werden, wobei frühestens nach einem halben Jahr klinisch eine Verbesserung erkennbar ist«, sagt Lutz.
Die Wahl der Therapie hängt vor allem von der Ausprägung und Aktivität des Haarausfalls ab: Minoxidil ist im Frühstadium geeignet oder wenn der Patient kein Medikament einnehmen möchte. Bei fortgeschrittenem Haarausfall und starker Aktivität oder wenn die äußerliche Therapie als zu aufwendig empfunden wird, ist Finasterid angezeigt. Beide Optionen sind auch gleichzeitig möglich, da sie unterschiedliche Wirkmechanismen haben.
Für Frauen ist Finasterid in Deutschland nicht zugelassen, da es bei einer möglichen Schwangerschaft die männliche Genitalentwicklung des Fetus stören kann. Ihnen steht die äußerliche Therapie mit Minoxidil als zweiprozentige Lösung zur Verfügung (zum Beispiel Regaine® Frauen oder Minoxidil Bio H Tin 20 mg/ml® für Frauen). Laut Beipackzettel ist eine Dosierung von zweimal täglich 1 ml vorgesehen. Da 1 ml oft nicht für den ganzen Kopf ausreicht, empfiehlt Lutz stattdessen, einmal täglich 2 ml der zweiprozentigen Lösung aufzutragen. »Am besten abends, da hier die Compliance erfahrungsgemäß besser ist als bei der Anwendung morgens«, so der Experte. Frauen haben zudem die Möglichkeit, einmal täglich 1 ml einer fünfprozentigen Lösung zu verwenden. Allerdings besteht hier ebenso das Problem der Verteilung auf der Kopfhaut, denn für größere, minder behaarte Bereiche ist 1 ml meist zu wenig. Werden dagegen größere Mengen der 5%igen Lösung verwendet, erhöht sich das Risiko einer vermehrten Behaarung im Gesicht.
Minoxidil gibt es zudem als Schaum, der laut Lutz allerdings leicht in den Haaren hängen bleibt und zum Teil die Kopfhaut nicht gut erreicht. Lutz empfiehlt, die erforderliche Menge Schaum in die Kappe zu geben, um ihn in der Hand oder mit dem Föhn zu erwärmen. Der so verflüssigte Schaum lässt sich mit einer Pipette gut aufnehmen und auf die Kopfhaut auftragen. Dafür eignen sich Einmalpipetten, die mehrfach verwendet werden können. Wenn Patienten die im Beipackzettel aufgeführten Nebenwirkungen befürchten, könnte man sie beruhigen, weiß Lutz. Ursprünglich wurde Minoxidil als Antihypertensivum zugelassen. Die vermehrte Flaumbehaarung im Gesicht als mögliche Nebenwirkung der systemischen Therapie war ein Zufallsbefund, der letztlich zur Entwicklung der Lösung gegen Haarausfall führte. Obwohl bei äußerlicher Anwendung nur eine sehr geringe Resorption des Wirkstoffs stattfindet, sind im Beipackzettel der Lösung alle Nebenwirkungen aufgeführt, die bei der Tabletteneinnahme auftreten können. Auch zeigt der klinische Alltag, dass bei Patienten, die bereits Blutdrucksenker einnehmen, die äußerliche Therapie nicht zusätzlich den Blutdruck senkt.
Für Männer und Frauen gibt es zudem die äußerliche Behandlung mit dem Wirkstoff Alfatradiol (zum Beispiel Ell-Cranell® oder Pantostin®). Alfatradiol, auch bekannt als 17-alpha-Estradiol, ist eine chemische Abwandlung des 17-beta-Estradiols. 17-alpha-Estradiol hemmt die Umwandlung von Testosteron in das haarwurzelschädigende DHT. Es entfaltet seine Wirkung nur an der Haarwurzel und verursacht keine systemischen Hormonwirkungen. Anders 17-beta-Estradiol: »Da dies ein natürliches Östrogen mit systemischer Hormonwirkung ist, dürfen Frauen mit auffälligen Brustbefunden, nach Brustkrebs oder mit östrogenabhängigen Tumoren keine 17-beta-Estradiol-haltigen Lösungen verwenden«, betont Lutz. Sie können jedoch auf Minoxidil oder Alfatradiol ausweichen.