Hui oder pfui |
Barbara Döring |
02.06.2025 12:00 Uhr |
Vorsicht geboten ist bei bitter schmeckenden Kürbisgewächsen aus dem eigenen Garten. Sie könnten durch Rückzüchtung ebenso wie Zierkürbis hohe Mengen des giftigen Curcubitacins enthalten. Bei Kürbissen, Zucchini und Gurken aus dem Handel sind die Bitterstoffe dagegen zugunsten eines angenehmeren, süßeren Geschmacks zum großen Teil herausgezüchtet. Das gilt auch für andere ursprünglich bitter schmeckende, aber nicht giftige Gemüsesorten wie Möhren oder Auberginen. Selbst Chicorée und Radicchio können Bitterempfindliche heute kaum noch erschrecken. Etwas höher kann der Bitterstoffgehalt bei Gemüse direkt vom Erzeuger oder vom Wochenmarkt sein.
Übrigens schmecken auch die Alkaloide Solanin und Chaconin, die in grünen Stellen und Keimen von Kartoffeln vorkommen, leicht bitter und können zu Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen führen. Ebenso giftig sind die Blausäurevorstufen aus Bittermandeln, Steinobstkernen und Leinsamen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt, höchstens 15 g Leinsamen pro Mahlzeit aufzunehmen.
Der heute überwiegend abgemilderte, kaum noch bittere Geschmack von Lebensmitteln kann die natürliche Essbremse beeinträchtigen und die Lust auf Süßes steigern. Süßgeschmack regt zudem die Insulinproduktion an und kann zu Übergewicht beitragen. Wer sich jedoch partout nicht dazu hinreißen lässt, sich auf Bitteres einzulassen, wird keinen Mangel leiden. Bitterstoffe sind nicht essenziell, eine Mindestverzehrmenge gibt es nicht. Bei einer insgesamt ausgewogenen Ernährung dürfte es kein Problem sein, wenn einmal etwas nicht gemocht wird.
Bei Appetitlosigkeit und vorzeitigem Sättigungsgefühl empfiehlt es sich, einen bitterstoffhaltigen alkoholfreien Aperitif oder Heilpflanzensaft mit Wermut oder anderen Kräutern 30 Minuten vor der Mahlzeit einzunehmen. Nach einer schweren Mahlzeit genossen fördert ein Digestiv mit Artischocke oder ein Verdauungstee (siehe Kasten) die Magenfunktion. Zudem können Blähungen, die bei Anwendung von Quellstoffen auftreten, durch die Kombination mit Bitterstoffen mitunter vermieden werden.
Auch Eiweißbausteine zählen zu den Bitterstoffen. Das könnte unter anderem erklären, warum seit jeher Käse als Abschluss einer Mahlzeit gereicht wird, um »den Magen zu schließen«. Casein, das Hauptprotein aus Käse und Quark, schmeckt zwar selbst nicht bitter, bei der Verdauung im Magen entstehen daraus jedoch bitter schmeckende Peptide wie L-Arginin. Eine Studie des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (LSB) lässt annehmen, dass die Peptide über Bitterrezeptoren Regulationsmechanismen wie die Ausschüttung von Serotonin aktivieren, die zum Sättigungsgefühl beitragen.
Schon im Altertum setzten Heilkundige auf Bitterstoffdrogen (Amara). Sie kommen bis heute bei Appetitlosigkeit und Verdauungsbeschwerden zum Einsatz. Kontraindiziert sind hochdosierte Bitterstoffdrogen bei Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwür, einer Magenübersäuerung und Gallensteinen.