»Ich war fast taub – jetzt höre ich stereo« |
Schon öfter hatte sie von Hörprothesen für Gehörlose gelesen, deren Hörnerv noch funktioniert – sogenannte Cochlea-Implantate. Verschiedene Firmen stellen sie her. Dabei wird das Implantat mit den Elektroden ins Innenohr, in die Hörschnecke (Cochlea) eingeführt. Dort nimmt es Impulse von außen auf, wandelt die Schallwellen in elektronische Signale um und gibt diese an den Hörnerv und das Gehirn weiter.
Cochlea-Implantate, wie sie heute verwendet werden, gibt es seit etwa 40 Jahren, und in den vergangenen Jahren sind sie immer besser geworden. In der Regel übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten, wenn die medizinischen Indikationen dafür gegeben sind. Mittlerweile tragen etwa 50.000 Menschen in Deutschland diese Technik im Kopf, Tendenz steigend.
Lange mochte Weinhardt davon nichts wissen. »Meine Bedenken waren, dass bei dem Eingriff etwas passiert -der Chirurg mir etwa wichtige Gesichtsnerven verletzt, das verbleibende Hörvermögen zerstört oder sich der Erfolg durch das Implantat einfach nicht einstellt.«
2018 steht sie aber an einem Punkt, an dem ein Hörgerät für ihr linkes Ohr nicht mehr ausreicht. »Mein Hörgeräte-Akustiker riet mir, mich gezielt zu einem Cochela-Implantat von einem Facharzt beraten zu lassen.« Weinhardt sucht darauf die St. Anna-Klink in Wuppertal auf. Sie durchläuft mehrere Voruntersuchungen und führt ein intensives Gespräch mit der Logopädin und dem Akustiker vor Ort.
Im Mai 2018 dann lässt sie sich operieren, zunächst nur am linken Ohr. Bei dem einstündigen Eingriff pflanzt ihr der Chirurg ein winziges Gerät unter die Kopfhaut ein. Zu dem Implantat gehört ein äußerer Sprachprozessor, den sie fortan wie ein Hörgerät hinter dem Ohr trägt. Fünf Tage verbringt sie in der Klinik. Sie nimmt vorsorglich Antibiotika, und täglich kontrolliert ein Arzt den Heilungsprozess und ob ihr Gleichgewichtsorgan noch intakt ist. Am dritten Tag kommt der Verband ab.
Vier Wochen später stellt der Akustiker zusammen mit der Logopädin das Implantat bei ihr ein. Diesem Moment hat Weinhardt lange entgegengefiebert. Denn wie wird es sein, das neue Hörerlebnis?
»Doch das Gehör funktioniert nach so einer OP nicht einfach per Knopfdruck«, weiß sie heute. So empfand sie die neuen Höreindrücke zunächst überraschend intensiv: »Ich geriet schlagartig aus der ruhigen in die akustische Welt und fand das zu Beginn etwas befremdlich.« Wenn etwa ihre Kolleginnen auf der Tastatur tippten, hörte sich das für sie an wie Hammerschläge. So starke Töne kannte Weinhardt bis dato nicht. »Und auch wenn Menschen mit mir sprachen, dann klang das nun metallisch und unnatürlich.« Aber bereits nach einigen Wochen nahm sie die gleichen Töne nicht mehr so extrem wahr, weil der Hörnerv diese inzwischen erkannte und einordnen konnte.