Infektiöse Herzmuskelentzündungen – die schleichende Gefahr |
In mehr als 50 Prozent der Fälle geht der Myokarditis ein banaler Virusinfekt voraus. Dazwischen liegen in der Regel ein bis zwei Wochen. Die Herzmuskelentzündung kann sich aber auch schneller oder langsam schleichend entwickeln. Die Symptomatik der Myokarditis ist ebenfalls variabel. Manchmal treten nur Allgemeinsymptome gegebenenfalls mit unspezifische Brustbeschwerden auf. Aber auch eindeutige Herzsymptomen von leicht bis schwer sind möglich: Die Bandbreite an potenziellen Herzrhythmusstörungen reicht von Palpitationen (Herzstolpern) über schwere malige Arrhythmien mit Bewusstseinseintrübung bis hin zum plötzlichen Herztod. Bei manchen Patienten ähneln die Beschwerden den Symptomen einer Angina pectoris beziehungsweise eines akuten Herzinfarkts. »Bei Verdacht auf eine Myokarditis gehöre die weiterführende Diagnostik auf jeden Fall in erfahrene Hände«, betont Professor Frank.
Wie viele Menschen nach einem akuten Virusinfekt eine Myokarditis entwickeln, dazu gibt es keine verbindlichen Zahlen. Möglicherweise komme dies viel häufiger vor, als gemeinhin angenommen. Für eine hohe Dunkelziffer spreche unter anderem der Fund von Spuren viraler Erreger im Myokardgewebe von Patienten mit bestimmten Herzmuskelerkrankungen, bei denen in der Krankengeschichte keine Herzmuskelentzündung dokumentiert wurde. Wahrscheinlich war eine unbemerkte Myokarditis die Ursache der später diagnostizierten krankhaften Herzmuskel-Erweiterung, so Frank. »Auch vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die infektiöse Myokarditis auf dem Schirm zu haben und bei entsprechender Symptomatik zurückliegende Infekte abzuklären«, sagt er weiter.
Bei einer infektiösen Myokarditis haben Abwehr- und Reparaturprozesse einen entscheidenden Einfluss auf den Verlauf. Entzündungsreaktionen zielen darauf ab, die Erreger zu vernichten und zu entsorgen. Natürliche Killerzellen, zytotoxische T-Zellen und Makrophagen wandern deshalb in das befallene Gewebe ein. Eine erfolgreiche Erregerelimination hat allerdings ihren Preis: Die infizierten Zellen gehen zugrunde. Das kann, wenn es sich um Herzmuskelzellen handelt, zu mehr oder weniger ausgeprägten Einbußen der kardialen Pumpfunktion führen. Vernarbungen können die Kontraktilität ebenfalls beeinträchtigen.
Bleiben Zellverluste und fibrotische Gewebeveränderungen überschaubar, bestehen gute Chancen, dass die Myokarditis spontan ausheilt, ohne dass das Herz dauerhaften Schaden nimmt. Mediziner sprechen in diesen Fällen von Defektheilung: Der ursprüngliche Gesundheitszustand ist zwar nicht in vollem Umfang wieder hergestellt, die Betroffenen spüren davon aber nichts und sind beschwerdefrei.
Leichte Verläufe mit Spontanheilung kommen bei infektiösen Myokarditiden häufig vor.
Aber nicht immer geht es so glimpflich ab. Myokarditiden können sehr heftig verlaufen und schwere kardiale Probleme verursachen. Manche Patienten entwickeln eine akute Herzinsuffizienz mit deutlich eingeschränkter Pumpfunktion. Atemnot, Herzrhythmusstörungen und Ödeme sind typische Zeichen. Behandelt wird mit den üblichen Medikamenten wie ACE-Hemmer oder AT1-Blocker, Beta-Blocker, Diuretika sowie Aldosteronrezeptor-Antagonisten. Im ungünstigen Fall bleibt die Pumpfunktion auf Dauer eingeschränkt. Daneben gibt es auch schleichende Verläufe, in denen sich die Pumpfunktion des Herzens langsam und anfangs eventuell unbemerkt verschlechtert. Spezifische Therapien, die bei virusbedingten Myokarditiden auf die Erregerelimination abzielen, gibt es kaum. Eine Sonderform der Myokarditis ist die Riesenzellmyokarditis, die besonders schwer verläuft, jedoch oft erfolgreich mit Immunsuppressiva behandelt werden kann.