Keine Furcht vor Medikamenten |
Neben den neurobiologischen Ursachen spielen auch soziale Faktoren bei der Entstehung psychischer Erkrankungen eine Rolle. Die Therapie ruht daher auf zwei Säulen: den psychotherapeutischen und den medikamentösen Behandlungsmaßnahmen. Die Medikation ist aber oftmals die Basis, damit Betroffene überhaupt in der Lage sind, eine Psychotherapie anzugehen, wieder Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen und Probleme aktiv angehen können. Antidepressiva zählen unter den Psychopharmaka zu den am häufigsten verschriebenen Arzneistoffen in Deutschland.
Etwa 20 Prozent der Deutschen erkranken irgendwann in ihrem Leben mindestens einmal an einer Depression oder einer depressiven Verstimmung (Dysthymie). Nach Anzahl und Schwere der Symptome unterscheiden Experten leichte, mittelgradige und schwere Depressionen (Major-Depression), außerdem monopolare und bipolare Formen. Hier wechseln sich Phasen von Antriebslosigkeit und innerer Leere mit euphorischen Phasen ab.
Je nach Arzneistoff verbessern Antidepressiva die Stimmung, lösen Angst, beruhigen, steigern den Antrieb oder dämpfen ihn. Wegen ihrer stimmungsaufhellenden und angstlösenden Wirkung werden sie nicht nur bei Depressionen, sondern auch bei anderen psychischen Störungen oder chronischen Schmerzen verordnet. In Kombination mit Analgetika verstärken sie deren Wirkung zum Beispiel zur Prävention von Migräne oder bei neuropathischen Schmerzen. Die medikamentöse Behandlung von Depressionen verzeichnete in den letzten Jahren enorme Fortschritte.
Während ältere Antidepressiva unspezifisch in mehrere Neurotransmittersysteme eingreifen, wirken moderne Antidepressiva gezielter. Sie zeichnen sich daher durch eine bessere Verträglichkeit aus. Weiter lassen sich Antidepressiva hinsichtlich ihrer Wirkung in überwiegend dämpfende (wie Amitriptylin, Doxepin, Trimipramin) und aktivierende (Escitalopram, Citalopram, Venlafaxin) Wirkstoffe einteilen.
Neben dem Sedierungsprofil orientiert sich der Arzt bei der Auswahl des Arzneimittels an möglichen Nebenwirkungen und Interaktionen. Nebenwirkungen sind zum Beispiel Mundtrockenheit, ein veränderter Blutdruck, Schlaflosigkeit/Müdigkeit, Herzrasen, Gewichtszunahme, verminderte Libido oder Erektionsstörungen. Darüber hinaus treten Antidepressiva mit einer Vielzahl von Arzneistoffen aus anderen Indikationsgebieten in Wechselwirkung. Antidepressiva werden größtenteils über das Cytochrom P450 metabolisiert.
Eine Begleitmedikation, die das CYP-System hemmt, kann zum Beispiel das QT-Intervall am Herzen verlängern und zu gefährlichen Arrhythmien führen. Gerade bei älteren Menschen mit Polymedikation ist deshalb erhöhte Aufmerksamkeit angebracht, auch im Hinblick auf deren verlangsamten Stoffwechsel.
Betrachtet man die verschiedenen Wirkweisen von Psychopharmaka, lassen sich diese in folgende Gruppen einteilen:
SSRI gelten heute bei Depressionen als Mittel der ersten Wahl. Handelt es sich um eine Erstverordnung ist die Beratung durch PTA besonders wichtig, denn SSRI entfalten erst nach zwei bis drei Wochen ihre volle Wirkung. In manchen Fällen vergehen sogar sechs bis acht Wochen. Relativ rasch treten aber Nebenwirkungen wie Übelkeit und Durchfall, Nervosität, Unruhe oder Schlafstörungen auf. Die meisten Nebenwirkungen klingen mit der Zeit ab. Doch bis dahin braucht der Patient Geduld und darf das Medikament nicht vorzeitig absetzen. Darüber hinaus können beim abrupten Absetzen Absetzsymptome auftreten. Nur nach Absprache mit dem Arzt darf die Dosis langsam reduziert und das Antidepressivum abgesetzt werden.
Bei gleichzeitiger Einwirkung weiterer serotonerger Arzneistoffe wie zum Beispiel Tramadol, Fentanyl, Erythromycin oder Dextromethorphan kann die Konzentration des Neurotransmitters Serotonin lebensbedrohlich ansteigen. Symptome: Erhöhter Blutdruck, Zittern, hohes Fieber und motorische Störungen können erste Anzeichen des sogenannten Serotonin-Syndroms sein.
Manche Antidepressiva werden gelegentlich auch als Beruhigungsmittel eingesetzt. Die wichtigste Gruppe der Beruhigungsmittel sind jedoch die Benzodiazepine und ihre Analoga. Sie verstärken die dämpfenden Effekte des Neurotransmitters GABA im Gehirn, wirken beruhigend, lösen Angst, entspannen die Muskulatur und fördern den Schlaf. Klassische Vertreter der Anxiolytika/Tranquilizer sind zum Beispiel die Wirkstoffe Diazepam (Valium®), Alprazolam (Xanax®), Bromazepam (Lexotanil®), Oxazepam (Adumbran®), Lorazepam (Tavor®), unter den Analoga Zolpidem und Zopiclon. Ihre Wirkung tritt sehr schnell ein. PTA sollte bei der Abgabe – besonders an ältere Menschen – auf die erhöhte Sturz- und Abhängigkeitsgefahr hinweisen. Letztere ist erhöht, wenn Benzodiazepine länger als vier Wochen eingenommen werden. Für eine kurze Dauer und in niedriger Dosierung ist ihre Einnahme bei akuten Krisen jedoch sinnvoll. Danach dürfen die Arzneimittel nicht abrupt abgesetzt werden; Entzugs- oder Reboundsymptome sind sonst möglich.