Können Bacteriocine eine Antibiotika-Alternative werden? |
Juliane Brüggen |
08.11.2021 14:00 Uhr |
Dem Team der Universität Ulm ist es gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, Norwegen, Dänemark und Österreich gelungen, ein Bodenbakterium (Corynebacterium glutamicum) gentechnisch so zu verändern, dass es Bacteriocine in Reinform produziert. Genauer gesagt wurde es dazu gebracht, Pediocin PA-1 herzustellen – ein Bacteriocin, das gegen den bakteriellen Krankheitserreger Listeria monocytogenes wirkt. Bei Menschen kann dieser Keim, der über kontaminierte Nahrungsmittel wie Rohkäse in den Organismus gelangt, eine schwerwiegende Listeriose auslösen.
Damit das Bodenbakterium das Bacteriocin produziert, haben die Forscherinnen und Forscher es mit synthetischen, zielgenau funktionalisierten Genen ausgestattet. Eine Herausforderung bestand darin, zu gewährleisten, dass das produzierte Bacteriocin nicht gegen den »Produzenten« selbst wirkt und diesen abtötet. Das ausgesuchte Bakterium brachte aber einen entscheidenden Vorteil mit. »Corynebacterium glutamicum hat keine Rezeptoren, an denen das Bacteriocin andocken kann. Es ist daher resistent gegen dessen antibakterielle Wirkung«, erklärt Dr. Oliver Goldbeck, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Mikrobiologie und Biotechnologie und Erstautor der Studie.
Nachdem die synthetische Bacteriocin-Produktion geglückt war, gelang es dem Forscherteam außerdem, die Produktion vom Labormaßstab auf einen großtechnischen Pilotmaßstab zu skalieren, was zeigt, dass eine industrielle Produktion realisierbar wäre.
Pediocine wie das in der Studie hergestellte Pediocin PA-1 gehören zu den Klasse-IIa-Bacteriocinen, die normalerweise von Milchsäurebakterien (Pediococcus sp. und Lactobacillus sp.) produziert werden. Diese Bacteriocine töten empfindliche Bakterien dadurch ab, dass sie Poren in der zytoplasmatischen Membran bilden. Das Bakterium Corynebacterium glutamicum eignet sich als Produzent von Klasse-IIa-Bacteriocinen, da es selbst keine Rezeptoren für diese besitzt und somit unempfindlich gegen sie ist. Der Ansatz des Ulmer Forscherteams, Pediocin PA-1 im gentechnisch veränderten Corynebacterium glutamicum zu produzieren, könnte laut Studienfazit auf die Produktion anderer Klasse-IIa-Bacteriocine übertragen werden – und auch auf andere Bacteriocin-Klassen, wenn die produzierenden Bakterien mit speziellen Resistenzmechanismen ausgestattet werden.