Krank statt entspannt |
Barbara Döring |
16.10.2025 16:00 Uhr |
Endlich Freizeit und prompt wird man krank – viele Arbeitnehmenden kennen das Phänomen der Leisure Sickness. / © Adobe Stock/Asier
Eigentlich müsste man sich doch pudelwohl fühlen, wenn man die Arbeit mal hinter sich lassen und ins Wochenende oder in den Urlaub verschwinden kann. Doch gerade, wenn sie es am wenigsten erwarten, macht bei immer mehr Arbeitnehmern der Körper schlapp. Von Leisure Sickness ist die Rede, wenn Menschen gerade dann krank werden, wenn sie eine Auszeit haben. Geprägt haben den Begriff der niederländische Psychologe Ad Vingerhoets und seine Kollegin Maaike van Huijgevoort schon im Jahr 2002. In Deutschland kennt man das Phänomen auch als Freizeitkrankheit. Doch inzwischen scheint es stärker in den Fokus zu rücken.
Laut einer aktuellen Studie der IU Internationalen Hochschule in Erfurt waren immerhin rund 72 Prozent der Arbeitnehmenden schon einmal betroffen. Bei der Befragung im Februar 2025 nahmen 2004 Personen im Alter von 16 bis 65 Jahren teil. Bei einer Untersuchung im Jahr 2002 gaben dagegen gerade einmal 3 bis 4 Prozent der Befragten an, schon mal freizeitkrank gewesen zu sein. Dabei handelt es sich nicht um ein eigenständiges Krankheitsbild, sondern um die Tatsache, dass bei einigen Personen bestimmte Beschwerden immer dann auftreten, wenn nach einer Arbeitsphase die Freizeit beginnt. Diese reichen von Infekten über Kopfschmerz, bis hin zu Rückenproblemen, Schlafstörungen, Müdigkeit oder allgemeinem Unwohlsein.
Betroffene klagen meist individuell von denselben Symptomen, wobei diese am Wochenende oft andere sind als im Urlaub. Kopfschmerz und Migräne belegen insgesamt Platz eins, im Urlaub überwiegen die Infekte. Die Beschwerden dauern unterschiedlich lange an, verschwinden aber in der Regel nach ein paar Tagen wieder.
Warum bei manchen Menschen gerade in Phasen der Entspannung fast nichts mehr geht, dafür gibt es verschiedene Erklärungsansätze. Offenbar liegt es nicht daran, dass sich Betroffene in der Freizeit anders verhalten und etwa mehr Alkohol oder Kaffee trinken, mehr rauchen oder anders schlafen. Auch die Art des Jobs scheint nicht maßgeblich zu sein. Selbst flexible Arbeitszeiten führen nicht automatisch zu einer besseren Erholung.
Vielmehr liegt der Schlüssel offenbar in der Art und Weise, wie Menschen mit ihren Arbeitsbelastungen umgehen. Wer beispielsweise sehr ehrgeizig oder pflichtbewusst ist, besonders hohe Ansprüche an sich selbst stellt oder sich für alles verantwortlich fühlt, scheint ebenso gefährdet zu sein, eine Leisure Sickness zu entwickeln, wie Menschen, die in ihrer Freizeit schlecht abschalten und im Berufsleben nicht »Nein« sagen können. Laut Professor Dr. Stefanie André von der IU Internationalen Hochschule und Expertin für Gesundheit am Arbeitsplatz braucht es gezielte Maßnahmen, um Stress zu reduzieren und die Work-Life-Balance nachhaltig zu verbessern.
So zeige die Studie, dass 33,7 Prozent der Befragten hoher Arbeitsdruck belaste. Problematisch seien zudem mangelnde Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen sowie eine unklare Aufgabenverteilung und -stellung. Auch lange Arbeitstage werden als belastend empfunden. Mehr als die Hälfte der Teilnehmenden gab zudem an, dass Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeiten ihre Erholung beeinträchtigt. Rund ein Drittel fühlt sich jedoch verpflichtet, auch in der Freizeit erreichbar zu sein. Das betrifft vor allem jüngere Arbeitnehmer unter 25 Jahren.
«Die Ergebnisse zeigen, dass Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit, hohe Arbeitsbelastung und fehlende Erholung klare Risikofaktoren für Krankheitssymptome an freien Tagen sind», fasst André in einer Pressemitteilung zusammen. Um dem entgegenzuwirken seien Arbeitgeber etwa mit Entspannungsangeboten, Stressbewältigungs- und Resilienz-Trainings, Ernährungs- und Bewegungsprogrammen gefragt. Mitarbeiter bräuchten die Eigenverantwortung und Kompetenz, sich abzugrenzen, und zugleich eine Führung, die das vorlebt, unterstützt und nicht stört. Stress zu mindern, könnte der Leisure Sickness vorbeugen, so André, da die Freizeitkrankheit eine Folge des plötzlichen Stressabfalls im Urlaub oder am Wochenende sei.