Medikamente im richtigen Takt |
Für eine optimale Wirkung kann auch die Tageszeit eine Rolle spielen. Die innere Uhr steuert den circadianen Rhythmus vieler Körperfunktionen einschließlich des Hormonhaushalts und der Stoffwechselvorgänge und beeinflusst somit auch die Wirkung von Arzneimitteln. Die Chrono-Pharmakologie untersucht diese Zusammenhänge, um die Medikamentenwirkung zu optimieren. Ein Beispiel für Arzneimittel, bei denen der circadiane Rhythmus eine Rolle spielt, sind Pharmazeutika, die den Cortisolspiegel beeinflussen. Die Konzentration von Cortisol ist morgens am höchsten und nimmt im Laufe des Tages ab. Das hat zur Folge, dass Medikamente wie Glucocorticoide am besten morgens eingenommen werden, um die Wirkung zu verbessern und Nebenwirkungen zu reduzieren.
Der Blutdruck folgt ebenfalls einem circadianen Muster. Er steigt am Morgen an und fällt in der Nacht ab. Bei der Behandlung von Bluthochdruck hat sich in der »Hygia Chronotherapy Trial« aus 2019 die abendliche Einnahme von Antihypertensiva als vorteilhaft erwiesen. Die Medikamente wirken demnach effektiver, wenn sie den nächtlichen Blutdruckabfall verstärken und den Morgenanstieg abmildern. Das wirkte sich laut der Studie sogar positiv auf das kardiovaskuläre Risiko der Patienten aus. In der TIME-Studie aus 2022 traten jedoch Herzinfarkte, Schlaganfälle und vaskulär bedingte Todesfälle gleich oft bei morgendlicher und abendlicher Einnahme auf. Allerdings vergaßen Patienten die Einnahme am Abend öfter. Am besten nehmen Menschen mit Bluthochdruck ihre Antihypertensiva immer zu einer bestimmten Zeit ein, die ihnen am besten passt.
Statine, die zur Senkung des Cholesterinspiegels eingesetzt werden, sind ein weiteres Beispiel für eine Arzneimittelklasse, bei der der Einnahmezeitpunkt zu beachten ist. Cholesterol wird hauptsächlich nachts synthetisiert, daher kann die abendliche Einnahme von Statinen die Wirkung dieser Medikamente verstärken. Das gilt insbesondere für Statine mit einer eher kurzen Halbwertszeit wie Simvastatin.
Bei der Behandlung von rheumatoider Arthritis kann es ebenfalls sinnvoll sein, die Tageszeit bei der Medikamenten-Einnahme zu beachten. Typischerweise leiden Betroffene morgens unter einer ausgeprägten Steifheit, die etwa eine Stunde oder länger anhält, bevor die Gelenke wieder beweglich sind. Um diese Morgensteifigkeit zu verhindern, ist es ratsam, entzündungshemmende Medikamente wie Diclofenac oder Naproxen bereits am Abend oder am sehr frühen Morgen einzunehmen.
Auch die Lungenfunktion unterliegt einem tageszeitlichen Rhythmus. Das ist besonders für Menschen mit Asthma von Bedeutung. Nachts und in den frühen Morgenstunden sind die Schleimhäute der Atemwege besonders empfindlich gegenüber Reizen, die Asthmaanfälle auslösen können. Verengte Bronchien und Atembeschwerden können die Folge sein. Daher ist es ratsam, Medikamente zur Anfallsvorbeugung wie Montelukast abends einzunehmen, damit die Wirkstoffe über Nacht wirken und asthmatischen Beschwerden am Morgen vorbeugen.