Mehr Diabetes, mehr Beratungsbedarf |
Neue Insuline und Arzneistoffklassen in Pen-Darreichung erfordern eine pharmazeutische Einführung. / © Getty Images/FatCamera
Den erhöhten Betreuungsbedarf stellt die österreichische Apothekerin Dr. Helga Auer-Kletzmayr seit einiger Zeit fest. »Hier neige ich jedoch dazu, nicht ins Jammern zu verfallen, sondern den erhöhten Beratungsbedarf als Chance zu sehen, dass die Patienten modernere Insuline und eine neue Schulung erhalten.« Auer-Kletzmayr ist selbst insulinpflichtige Diabetikerin und hatte zu ihrem Vortrag bei der Zentralfortbildung der Apothekerkammer Hessen viele Beratungsbeispiele aus ihrem Apothekenalltag in einer Klagenfurter Apotheke mitgebracht – ideal für den Beratungsalltag von PTA. Der Apothekerkammer Hessen ist es wichtig, dass Fortbildungsangebote sich explizit auch an PTA richten.
Auer-Kletzmayr befürwortete Screening-Angebote in Apotheken – sowohl für bereits diagnostizierte Diabetiker zur Kontrolle als auch für Personen, die noch gar nicht wissen, dass ihr Blutglucosespiegel außerhalb der Norm ist. »Umso wichtiger sind Blutzucker- und HbA1c-Messungen, um bisher unerkannte Glucose-Stoffwechselstörungen zu identifizieren und die Betroffenen zeitnah in die Arztpraxis zu schicken.« Der Blutwerte-Check werde von den Kunden sehr gut angenommen, berichtete die Apothekerin. »Ein Gelegenheitsglucosewert von ≥ 200 mg/dl ist immer verdächtig.«
Welche Kunden spricht die PTA am besten für die Blutzuckertestung an? »Bei Vorliegen von Risikofaktoren wie ein BMI ≥ 25, eine positive Familienanamnese, vaskuläre Erkrankungen, Hypertonie, Hyperlipidämie, Raucher sowie Personen, die körperlich inaktiv sind«, umriss die Referentin die mögliche Zielgruppe für ein Blutglucosescreening in der Apotheke. Ist das Screeningresultat unauffällig, lohne sich eine Wiederholung alle drei Jahre. Bei bekanntem Prädiabetes rät die Diabetesexpertin zur jährlichen Wiederholung, nach Gestationsdiabetes zur erneuten Kontrolle alle drei Jahre.
Dass auch langjährige Diabetiker immer wieder aufs Neue auf hochwertige pharmazeutische Beratung durch das Apothekenteam angewiesen sind, erklärte die Apothekerin am Beispiel des Tirzepatid-Pens Mounjaro®. Anwendungsfehler könnten sich vor allem durch die maximal zwölfmal möglichen Entlüftungsvorgänge, die Lagerungstemperatur und die verbleibende Restmenge im Pen ergeben.
Dass diese Handhabungsprobleme durchaus praxisrelevant sind, spiegelt sich in rund 150 Verdachtsfällen eines Qualitätsmangels, die im vergangenen Jahr bei der Arzneimittelkommission Deutscher Apotheker (AMK) eingegangen sind. »Vor allem das vor dem Spritzen notwendige Entlüften des Pens scheint fehleranfällig. Wird übermäßig entlüftet, kann der Pen vorzeitig arretieren – dann lässt sich keine Wirkstofflösung mehr entnehmen«, heißt es von Seiten der AMK.
Die AMK fordert nun von der Herstellerfirma Dokumentationshilfen, auf denen der Patient seine wöchentlichen Applikationen genau mit Datum notieren kann, sowie eine genaue Skalierung des Restvolumens. »Bislang verbleibt eine ordentliche Menge an Restvolumen im Pen, sodass der Patient durchaus denken könnte, es reiche für eine weitere Dosis, und ist enttäuscht, dass er diese nicht mehr applizieren kann.« Die weitere Forderung, genügend Pennadeln beizupacken, sei nur konsequent und diene der Arzneimittelsicherheit. Schließlich bestünde bei der Lagerung mit nur einer Nadel über vier Wochen die erhöhte Gefahr der Luftbeimischung. Auch die Hinweise zur Lagerungstemperatur müssen laut Auer-Kletzmayr nachgebessert werden.