Respekt und Geduld gefragt |
Zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr befinden sich Kinder in der sogenannten magischen Phase. In ihrer Vorstellung ist nun alles möglich. Das eigene Denken und Handeln wird als Ursache für reale Geschehnisse gewertet. Gleichzeitig werden Geschehnisse durch »magische Theorien« zu deuten und erklären versucht. Viele freudige Überraschungen und Erwartungen haben ihren Ursprung im magischen Denken, aber auch viele alterstypische Ängste und Befürchtungen. So existieren Weihnachtsmann und Osterhase in der kindlichen Vorstellung ebenso wie Monster, Geister oder Hexen. Und ebenso wie die »Guten« können auch die »Bösen« selbstständig agieren. Was an Weihnachten oder beim Spielen noch großen Spaß macht, kann somit am Abend oder in der Nacht ganz schnell für große Ängste sorgen. Geister, Monster oder gefährliche Dinosaurier, die sich hinter Vorhängen oder unter Betten verstecken, sind für Kleinkinder real.
Auch wenn es für Erwachsene absurd erscheinen mag, sollten sie dem Kind helfen, seine Angst wirksam zu beseitigen. Dies gelingt, indem besonders dunkle Zimmerecken mit einer Taschenlampe ausgeleuchtet werden, ein magisches Kuscheltier unter dem Bett die Monster verjagt oder jeden Abend ein »Zauberring« angezogen wird. Diese und ähnliche Rituale vermitteln Sicherheit und erleichtern das Einschlafen. Angst- und Albträume sind in dieser Entwicklungsphase dennoch häufig, und viele Kinder suchen nachts verstärkt die Nähe der Eltern.
Bis zum Schuleintritt sind die meisten Kinder in ihrer Entwicklung so weit fortgeschritten, dass sie Trennungsängste gut regulieren können. Auch die Furcht vor Fantasiegestalten, Tieren oder der Dunkelheit nimmt ab und das realistische Denken gewinnt die Oberhand. Sorgen und Ängste beziehen sich nun vermehrt auf das soziale Umfeld. So ist die Angst vor Bewertung oder Ablehnung durch andere in diesem Alter weit verbreitet. Aktuell belastet zudem die Covid-19-Pandemie viele Kinder und Jugendliche zusätzlich. Laut der COPSY-Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, in der die psychische Gesundheit und Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen während der Pandemie untersucht wird, ist aktuell jedes dritte Kind psychisch auffällig. Vor der Pandemie traf dies auf jedes fünfte Kind zu. Zugenommen haben vor allem Ängste und psychosomatische Beschwerden. Ähnliches zeigt sich auch in Österreich, wo mit der »Tiroler Covid-19-Kinderstudie« der Medizinischen Universität Innsbruck die Auswirkungen von Angst-, Stresssymptomen und Traumata sowie die Lebensqualität von drei- bis zwölfjährigen Kindern untersucht wird.