Schleimhaut am falschen Ort |
Barbara Döring |
19.01.2024 15:00 Uhr |
»Wenn die üblichen Schmerzmittel zur Behandlung der Regelschmerzen oder Unterbauchschmerzen nicht helfen, sollte unbedingt an eine Endometriose gedacht werden«, betont die Gynäkologin. Fragen Kundinnen in der Apotheke regelmäßig nach Schmerzmitteln gegen Periodenschmerzen, auch in höherer Dosierung, könnte das eine Gelegenheit sein, nachzufragen: Reicht das Medikament zur Behandlung der Schmerzen aus? Wie viele Tabletten sind erforderlich? Bestehen weiter Beschwerden?
Mechsner sieht die Apotheke als wichtige Schaltstelle, um Frauen gegebenenfalls zur ärztlichen Abklärung zu raten. Zwar haben manche Frauen auch ohne Endometriose starke Regelschmerzen. Sie lassen sich jedoch meist mit einem herkömmlichen Schmerzmittel lindern. Dagegen sind bei Endometriose die Schmerzen oft therapieresistent. Mechsner betont, dass zudem viele Frauen zu lange warten, bis sie ein Schmerzmittel einnehmen. Würden die Schmerzen zu lange ausgehalten und nicht adäquat behandelt, bestehe ein hohes Risiko, dass sich ein Schmerzsyndrom entwickelt und sich die Beckenschmerzen chronifizieren. Betroffene Frauen sollten sich nicht scheuen, ihren Frauenarzt oder die Frauenärztin auf das Thema Endometriose anzusprechen oder sich an ein Endometriose-Zentrum wenden (siehe Kasten).
Deutschland ist das erste Land mit zertifizierten Endometriose-Zentren. Sie erfüllen spezielle Kriterien: Endometriose-Sprechstunde, Sterilitätsdiagnostik und -therapie, Schmerzdiagnostik und -therapie, endoskopische Operationen, Darm- und Blasenchirurgie, Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen und Rehakliniken, Fortbildungen, Teilnahme an Studien und Datenanalyse zur Qualitätskontrolle. Oft arbeiten die Zentren mit Kooperationspartnern zusammen, um eine umfassende Behandlung und Betreuung zu gewährleisten. Eine Liste der Endometriose-Zentren in Deutschland bietet die Stiftung Endometriose-Forschung (SEF) bei www.endometriose-sef.de. Weitere Informationen zur Erkrankung bietet das Endometriose-Zentrum an der Charité Berlin unter https://frauenklinik.charite.de/leistungen/endometriose.
Die Diagnose einer Endometriose ist oft bereits mit einem ausführlichen Anamnese-Gespräch möglich. Mit der visuellen Analogskala kann die Frauenärztin zudem gut abschätzen, wie stark die Schmerzen auf einer Skala von 0 bis 10 sind. Bei Endometriose beginnt der Schmerz meist bei 6 und Frauen berichten oft, nicht aufstehen oder arbeiten zu können. Bei der vaginal-rektalen Untersuchung zeigt sich, ob sich Schleimhautherde in der Scheide oder im Enddarm angesiedelt haben. Veränderungen an der Gebärmutter oder an den Eierstöcken lassen sich mit einer Sonografie erkennen. »Auch wenn bei der gynäkologischen Untersuchung keine Herde gefunden werden, ist es dennoch wichtig, bei starken Regelschmerzen frühzeitig mit der Therapie zu beginnen, damit die Krankheit nicht weiter fortschreitet«, mahnt Mechsner. Wenig sinnvoll seien Selbsttests zur Endometriose-Diagnose. Sie können falsch negative Ergebnisse liefern, und unabhängig vom Ergebnis müssten die Beschwerden in jedem Fall behandelt werden.
Manche Patientinnen kommen mit einer konsequenten Schmerztherapie und ergänzenden Methoden wie Beckenboden-Entspannung sowie antientzündlichen Maßnahmen gut zurecht (siehe Kasten). Sind jedoch weiterhin an drei bis fünf Tagen pro Monat Schmerzmittel erforderlich, die die übliche Dosis überschreiten, ist zur hormonellen Therapie geraten. Dabei kommen orale Kontrazeptiva zum Einsatz, die durchgängig im Langzeitzyklus eingenommen werden, um die schmerzhafte Regelblutung zu verhindern. Für diese therapeutische Amenorrhoe eignen sich kombinierte Pillenpräparate mit Estrogen und Gestagen. Für Frauen über 20 empfiehlt Mechsner ein reines Gestagenpräparat, da es ein geringeres Thromboserisiko birgt.
Viele Frauen scheuen sich jedoch, Hormone einzunehmen oder möchten ihren Zyklus natürlich erleben. Dass Frauen so viel bluten, sei jedoch von der Natur eigentlich nicht vorgesehen. Gerade für junge Frauen sei der Monatszyklus untypisch, da sie in diesem Alter natürlicherweise schwanger wären. Während Frauen Anfang des 20. Jahrhunderts in ihrem Leben durchschnittlich nur 40 Regelblutungen hatten, sind es heute etwa 400. Diese häufigen Zyklen mit einem ständigen Auf- und Abbau der Gebärmutterschleimhaut könnten mit ein Grund sein, dass sich eine Endometriose entwickelt, erklärt die Gynäkologin.
Neben Schmerzmitteln können antientzündliche und krampflösende Substanzen sowie pflanzliche Präparate im Rahmen einer multimodalen Therapie helfen, die Schmerzen bei Endometriose im Zaum zu halten. Eine adäquate Schmerztherapie ist dabei immer die Grundlage.