Schüler unter Druck |
Stress entsteht immer dann, wenn zwischen den wahrgenommenen Anforderungen und den erlebten Handlungsmöglichkeiten, diese bewältigen zu können, ein Ungleichgewicht entsteht. Die Ursachen dafür können vielfältig sein. Sowohl Unter- als auch Überforderung im Unterricht, Konflikte und Probleme mit Mitschülern oder Lehrern, laute Klassen, anstrengende Lehrkräfte und ein schlechtes Klassenklima zählen im Kontext Schule zu den häufigsten Stressoren. Viele Jugendliche haben heute zudem sehr hohe Erwartungen an sich selbst.
Wie Jugendliche auf Schulstress reagieren, kann individuell ganz unterschiedlich aussehen. Einige entwickeln körperliche Beschwerden wie häufige Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit oder Bauchschmerzen. Andere sind vermehrt angespannt, ohne ersichtlichen Grund nervös oder leiden unter Ängsten. Auch Aufmerksamkeitsstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafprobleme sowie sozialer Rückzug können Folgen von zu viel Stress und Leistungsdruck sein.
Bekannt ist, dass für die psychische Gesundheit von Jugendlichen unterstützende Systeme von großer Bedeutung sind. Das bestätigt auch die HBSC-Studie: Jugendliche, die angaben, sowohl von der Familie als auch von Gleichaltrigen starke Unterstützung zu erhalten, bewerteten die eigene psychische Gesundheit positiver als Jugendliche mit wenig oder keiner Unterstützung.
Umso alarmierender für die Experten, denn die soziale Unterstützung hat im Vergleich zur vorherigen Befragung deutlich abgenommen. Während 2018 noch 73 Prozent der Schüler angaben, sich in hohem Maß familiär unterstützt zu fühlen, waren es 2022 nur mehr 67 Prozent. Die Unterstützung durch Gleichaltrige ist im selben Zeitraum von 61 Prozent auf 58 Prozent gesunken. Zugenommen haben zudem soziale Ungleichheiten. Jugendliche aus einkommensschwachen Familien erhielten durchweg weniger Unterstützung durch Familie und Gleichaltrige als Schüler aus einkommensstarken Familien.
Werden die Geschlechter getrennt betrachtet, wird deutlich: Mädchen sind von diesen Trends besonders betroffen. Sie bewerteten in der HBSC-Studie ihre familiäre Unterstützung nicht nur insgesamt niedriger als männliche Befragte (65 Prozent im Vergleich zu 71 Prozent), auch der Rückgang der familiären Unterstützung fällt bei ihnen stärker aus (von 72 Prozent auf 64 Prozent). Eine Ausnahme bildet die Unterstützung durch Gleichaltrige. Diese ist bei Mädchen zwar ebenfalls deutlich gesunken (von 67 Prozent auf 62 Prozent), liegt aber noch immer höher als die von Jungen (55 Prozent).
Eine Erklärung liefern die Studienautoren: Demnach fällt es Mädchen im Vergleich zu Jungen häufig schwerer, mit einem Elternteil über Dinge zu sprechen, die sie wirklich beschäftigen. Besonders stark ausgeprägt sei dieser geschlechtsspezifische Unterschied in der Kommunikation mit Vätern.
Ein ganz ähnliches Bild zeichnet sich auch in der Schule selbst ab. Nur 36 Prozent der an der HBSC-Studie teilgenommenen Mädchen gab an, sich von ihren Lehrern wirksam unterstützt zu fühlen. Bei den Jungen waren es 47 Prozent. Dr. Irene García-Moya, eine der Autorinnen der HBSC-Studie, kommentiert dies in einem Bericht der WHO/Europa: »Der zunehmende Druck auf Jugendliche ist ein vielschichtiges Problem. Mädchen stehen oft zwischen konkurrierenden Erwartungen an hohe schulische Leistungen und traditionellen sozialen Rollen, während Jungen oftmals unter Druck stehen, stark und selbstständig zu wirken, was sie davon abhält, die nötige Unterstützung zu suchen. Wir müssen in unseren Schulen Räume schaffen, in denen sich alle Schüler wahrgenommen, gehört und unterstützt fühlen. Schulische Gesundheitsprogramme müssen auf die Förderung emotionalen Wohlbefindens abzielen, um zukünftige Generationen widerstandsfähig zu machen.«