So eng sind Körper und Psyche verbunden |
Barbara Döring |
12.06.2023 16:00 Uhr |
Ein großer Vorteil ist deshalb, dass das Immunsystem lernfähig ist und etwa bei einem Infekt nach einer Weile auf erlernte Immunität umschalten kann. Indem er zum Beispiel Antikörper bildet, kann der Körper mit chirurgischer Präzision reagieren, ohne weitere Kollateralschäden zu verursachen. Doch warum arbeitet das Immunsystem nicht gleich so spezifisch, sondern geht erst einmal mit der Holzhammermethode gegen die Stressoren vor? Der Grund: »Bis das Immunsystem lernt, Antikörper in ausreichender Menge zu produzieren, braucht es mindestens zwei bis drei Tage und der Prozess braucht sehr viel Energie, die der Körper nur investiert, wenn es sich wirklich lohnt. Ohne die angeborene Immunantwort hätten neue Keime viel Zeit sich auszubreiten«, erläutert Peters.
Ist ein Stressor beseitigt, muss eine Entzündungsreaktion auch wieder gestoppt werden, deshalb wirken Stressbotenstoffe wie das Hormon Cortisol gleichzeitig als Stoppsignal. Es dockt im Gehirn an Glucocorticoid-Rezeptoren an und sorgt so selbst dafür, dass nicht noch mehr Cortisol ausgeschüttet wird. Deshalb sind akute Stressreaktion im Normalfall nur kurzfristig und klingen bald wieder ab, sobald die Situation überstanden ist. »Nach etwa einer halben Stunde hat Cortisol seinen Peak erreicht und nach zwei Stunden ist der ganze Spuk vorbei«, sagt Peters. Anders bei anhaltendem Stress: Kommen ständig Reize nach, die zur Ausschüttung von Stresshormonen führen, bleibt das Stoppsignal aus und es kommt nicht zur Erholung.
Nerven, Hormone, Immunsystem sind also im engen Wechselspiel miteinander verbunden. Doch wann lässt sich sagen, dass Krankheiten psychisch bedingt sind, wann organisch? »Alle Beschwerden sind psychosomatisch«, bringt es Peters auf den Punkt. Die Frage sei keine Entweder-oder-Frage, sondern sie müsse lauten: Woher kommt die Belastung, die zu einer Krankheit führt oder sie nicht mehr abklingen lässt? Andauernder Stress und ungesunder Lebensstil greifen dabei oft Hand in Hand. »Wenn ich psychische Belastungen habe, ernähre ich mich schlecht, bewege mich nicht ausreichend, habe einen schlechten Schlaf oder Konflikte mit anderen, die den Stress weiter fördern«, weiß Peters.
Also auch der Lebensstil kann ein Stressfaktor sein: »Esse ich immer zu hochkalorisch und habe immer zu viel Zucker im Blut, bedeutet das nicht nur, dass meine Zellen irgendwann gegenüber Insulin resistent werden, sondern es werden auch ständig Schadenssignale freigesetzt, die Entzündungen triggern und Zellen absterben lassen«, erläutert Peters. Ein Grund, warum bei Diabetes erhöhte Entzündungswerte gemessen werden. Das Immunsystem ist dann im Daueralarm und nicht mehr richtig in der Lage, auf Reize von außen flexibel zu reagieren.
Jein, sagt Professor Eva Peters. Tatsächlich kann akuter Stress sogar gegen Infekte helfen, zum Beispiel der Saunagang, denn dabei wird die angeborene Immunität aktiviert. Trifft man auf viele neue Leute, von denen einige herumniesen, kann man davon ausgehen, auf einen neuen Keim zu stoßen. Wer danach ordentlich Stress hat und sich gleich wieder erholt, bringt die angeborene Immunantwort auf Trab. Das kann oft helfen, die Keime schnell abzuwehren, bevor sie in den Körper eindringen und sich vermehren. Dagegen macht chronischer Stress infektanfälliger. Wenn das Immunsystem dauerhaft auf die erlernte Immunität umgeschaltet hat, ist es blind für neue Keime und macht bei der Beseitigung von Keimen auch Fehler, die zu Autoimmunreaktionen führen können.