Sollte die zweite Impfdosis verschoben werden? |
Bei der Impfung mit Comirnaty werden die Körperzellen angeregt, einen bestimmten Virus-Baustein selbst herzustellen. Dieser Baustein gaukelt dem Körper eine Infektion vor, das Immunsystem wird aktiviert und bildet beispielsweise Antikörper. Allerdings sei diese Reaktion nach der ersten Dosis noch nicht besonders ausgeprägt, erklärt Sebastian Ulbert vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI). Erst nach der zweiten kommt es zu einem sogenannten Boost-Effekt, das Immunsystem springt richtig an und ist für eine spätere Infektion mit SARS-CoV-2 gerüstet.
Schiebt man die zweite Dosis nach hinten, ist erstmal mehr Impfstoff da, um mehr Menschen die erste Spritze zu setzen. Die Hoffnung ist, dass diese allein schon einen gewissen Schutz bietet. So weist etwa die Gesellschaft für Immunologie darauf hin, «dass bereits die erste Impfung ab Tag 14 einen beträchtlichen Schutz vor schweren Krankheitsverläufen bieten kann». Es dürfe zwar nicht auf die zweite Dosis verzichtet werden, aber: »In dieser besonderen Pandemielage ist es vertretbar, mit den jetzt vorhandenen Impfdosen möglichst vielen Menschen erst einmal die erste Immunisierung zu ermöglichen, und die zweite Impfung verzögert, aber zwingend innerhalb von 60 Tagen, nachzuholen.«
Gezielt wurde das gar nicht erforscht. «Die Studie war nicht darauf ausgerichtet, die Wirksamkeit des Impfstoffs bei nur einer Dosis zu untersuchen», heißt es in der Fachpublikation zur Phase-III-Studie. Die Autoren schreiben aber auch: »Nichtsdestotrotz lag die beobachtete Wirksamkeit in der Zeitspanne zwischen der ersten und der zweiten Dosis bei 52 Prozent.«
Die Datenlage ist einigen Experten zufolge für eine solche Entscheidung recht schwach. «Ich glaube, dass Menschen nach der ersten Spritze nicht gut geschützt sind», sagt Ulbert. Publizierte Daten zur Immunantwort von Probanden würden zeigen, dass der Körper nach der ersten Dosis kaum schützende Antikörper bildet. Es fehle eine Studie mit Zehntausenden Probanden, um die Dauer und Stärke der Schutzwirkung nach nur einer Dosis korrekt beurteilen zu können. Die Angaben zu einer Wirksamkeit von 52 Prozent nach nur einer Spritze bezeichnet er aufgrund der geringen Anzahl der aufgetretenen Covid-19-Erkrankungen in der Studie als »nicht sehr zuverlässig«. Zudem sei unklar, wie lange man die zweite Dosis aufschieben könne, um damit noch einen Boost-Effekt zu erreichen.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.