Streit um Arbeitszeitgesetz |
Das Unfallrisiko steigt nach der achten Arbeitsstunde exponentiell, nach zwölf Stunden ist es doppelt so hoch wie bei einem Achtstundentag. / © Adobe Stock/torwaiphoto
Union und SPD wollen das Arbeitszeitgesetz reformieren. Sie begründen ihre Pläne mit dem Ziel, Unternehmen mehr Spielraum zu geben und gleichzeitig wirtschaftliche Impulse zu setzen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten ebenfalls profitieren – durch mehr Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit. Doch eine Analyse der Hans-Böckler-Stiftung zeigt: Schon heute erlaubt das Arbeitszeitgesetz erhebliche Flexibilität. Arbeitgebende können die tägliche Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden verlängern, solange innerhalb von sechs Monaten ein Ausgleich erfolgt. Was mit der geplanten Reform möglich würde, geht weit darüber hinaus: Nach Abzug der vorgeschriebenen Ruhezeiten könnten Arbeitstage von über zwölf Stunden zulässig sein. Arbeitsmedizinisch gilt das als hochriskant. Eine derart weitgehende Deregulierung, so die Forscherin Dr. Amélie Sutterer-Kipping vom Hugo Sinzheimer Institut der Hans-Böckler-Stiftung, »würde die gesundheitlichen und sozialen Probleme in der Erwerbsbevölkerung verschärfen, statt sie zu lösen«.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehen in der Reform keine Chance, sondern eine Bedrohung. Laut einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Böckler-Stiftung befürchten knapp drei Viertel der Befragten negative Folgen für ihre Erholung, Gesundheit und Familie, wenn künftig Arbeitstage von mehr als zehn Stunden möglich werden. Frauen äußern diese Sorge sogar noch häufiger als Männer – vor allem, weil sie zusätzlich zum Erwerbsjob mehr unbezahlte Sorgearbeit leisten.
Bereits jetzt arbeiten 12 Prozent aller Beschäftigten regelmäßig länger als zehn Stunden am Tag. Fast 40 Prozent nehmen ihre Erwerbsarbeit am Abend noch einmal auf – häufig, weil sie tagsüber wegen familiärer Verpflichtungen unterbrechen müssen. Die Folgen sind spürbar: weniger Schlaf, mehr Stress und ein steigendes Risiko für psychische Erkrankungen. Arbeitsmedizinische Erkenntnisse bestätigen die Sorgen: Das Unfallrisiko steigt nach der achten Arbeitsstunde exponentiell, nach zwölf Stunden ist es doppelt so hoch wie bei einem Achtstundentag.