Therapietreue lohnt sich |
Die pharmazeutische Dienstleistung der strukturierten Blutdruckmessung in der Apotheke hilft, die Therapieadhärenz zu verbessern. / Foto: Adobe Stock/Dan Race
»In jedem Fall ist die Therapieadhärenz und -persistenz ein Faktor, bei dem die Patienten extrem viel Hilfe benötigen«, sagte Dr. Miriam Ude bei einer digitalen Fortbildungsveranstaltung der Landesapothekerkammer Hessen zu Interventionsmöglichkeiten der Bluthochdrucktherapie durch das Modul der pharmazeutischen Dienstleistung (pDL). Das liege nicht nur an zum Teil komplexen Therapieschemata, sondern auch an Umständen, die das Alter mit sich bringt. Kognitive Einbußen, Sehstörungen (»Es ist dann einfach ein Problem, eine weiße Tablette in einer weißen Tablettendose mit eventuell zitternden Händen zu greifen.«) oder Schluckstörungen/trockene Schleimhäute könnten die Arzneimitteltherapie einschneidend behindern, so die Apothekerin aus Darmstadt.
Dabei wäre es so wichtig, konsequent und regelmäßig zu behandeln, sagte Professor Dr. Dietmar Trenk, Leiter Abteilung Klinische Pharmakologie am Universitäts-Herzzentrum Campus Bad Krozingen, in seinem Tandemvortrag mit Ude, bei dem er die pathophysiologischen Hintergründe der Hypertonie und deren leitliniengerechte Therapie näher beleuchtete. »Die Hypertonie bringt das Problem der Endorganschädigung mit sich.« Pro 10 mmHg Senkung des systolischen Blutdrucks sinkt das Risiko für Herzinfarkt um 20 Prozent, das für Schlaganfall oder Herzinsuffizienz um 27 bis 28 Prozent. Für eine Retinopathie und die koronare Herzkrankheit liegt die Risikoreduktion bei annähernd 20 Prozent, schilderte der Apotheker die Vorteile der Pharmakotherapie.
Dabei empfiehlt die Leitlinie klar Kombitherapeutika. Man beginnt mit einem ACE-Hemmer (oder Sartan) plus Calciumkanalblocker oder Diuretikum, und das möglichst als Fixkombination in einer Tablette. Auf Stufe 2 werden die drei Wirkstoffgruppen kombiniert. Werden die Zielblutdruckwerte nicht erreicht, wird ein Aldosteron-Antagonist wie Spironolacton ergänzt. »Bei niedrigem Risiko und bei sehr alten oder gebrechlichen Patienten kann im Einzelfall auch mit einer Monotherapie begonnen werden«, so Trenk. Laut Studien nütze eine antihypertensive Therapie auch gebrechlichen Patienten. »Ein Absetzen der Blutdruckmedikation allein aufgrund des Alters wird nicht empfohlen, wenn der Patient sie gut verträgt.«
Leitliniengemäß wird eine blutdrucksenkende Pharmakotherapie und Lebensstiländerung leistungsfähigen Patienten über 65 Jahren angeraten, wenn der systolische Druck über 140 mmHg liegt. Bei Menschen ab 80 werde ab einem Wert über 160 mmHg behandelt, informierte Trenk. Unabhängig vom Alter gilt ein diastolischer Wert über 90 mmHg als behandlungsbedürftig. Und welche Zielwerte gelten? Bei Betroffenen bis 65 Jahre sollte der Blutdruck unter 130 mmHg liegen, bei Älteren bei 130 bis 139 mmHg. »Bei alten Menschen sind auch höhere Werte akzeptabel, aber keine unter 120 mmHg«, betonte Trenk. Für den diastolischen Blutdruck seien für alle hypertensiven Patienten Werte unter 80 mmHg anzustreben.
»Den Goldstandard oder die Intervention, um die Therapietreue zu verbessern, gibt es nicht«, machte Ude, Fachapothekerin für Arzneimittelinformation, klar. Eine einmalige Einführung in die Therapie sei in jedem Fall nicht ausreichend, es bedürfe einer ständigen Begleitung, in deren Verlauf an kleinen Stellschrauben zu drehen ist. Selbst kleine Hinweise, wie während der Blutdruckmessung nicht zu sprechen, die Wiederholungsmessung erst nach einer Minute Pause zu starten, weil sich währenddessen die Gefäße wieder weit stellen, oder am besten validierte Oberarmgeräte zu verwenden, trügen zur Arzneimitteltherapiesicherheit bei. Tipp: Einen Überblick über validierte Geräte bietet die Deutsche Hochdruckliga.
Im Beratungsgespräch gelte es laut Ude, den Patienten über den Anspruch auf eine strukturierte, professionelle Blutdruckmessung in der Apotheke aufmerksam zu machen. »Im Grunde haben alle Patientinnen und Patienten, die mit einem Rezept über Blutdruckmittel in die Apotheke kommen, alle zwölf Monate einen Anspruch, diese pharmazeutische Dienstleistung in der Apotheke zu erhalten.«
Konkret gilt das sowohl für gesetzlich als auch privat versicherte Patienten mit nach Selbstauskunft bekanntem Bluthochdruck, denen mindestens ein Antihypertensivum verordnet wurde. Der Anspruch besteht ab zwei Wochen nach Therapiebeginn. Die Dienstleistung darf dann alle zwölf Monate und darüber hinaus bei Änderung der antihypertensiven Medikation erbracht werden. »Dann auch wieder zwei Wochen nach Umstellung. Pharmazeutische Dienstleistung kostet Zeit und ist deshalb nur für Stammkunden möglich, dafür individuell. Das ist nicht bei 150 Kunden am Tag zu leisten«, gab Ude zu bedenken.«
In der Apotheke werde der Blutdruck beim Erstbesuch idealerweise an beiden Armen jeweils drei Mal gemessen. Nicht selten weichen die Messergebnisse am rechten und linken Arm voneinander ab. Folgemessungen sollten dann stets an dem Arm mit dem höheren Blutdruck erfolgen, »um die physiologischen Verhältnisse besser gespiegelt zu bekommen«. Der Patient ist darüber zu informieren, an welchem Arm er zu Hause selbst messen soll.
Den Charme der Dienstleistung sieht Ude auch darin, dass sie vom gesamten pharmazeutischen Personal – einschließlich Pharmazeuten im Praktikum (PhiP) oder PTA in Ausbildung – ohne Zusatzqualifikation angeboten werden können.