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Eine schwierige Entscheidung

Transidentität bei Minderjährigen

Immer mehr Minderjährige identifizieren sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht. Eine gegengeschlechtliche Behandlung in der Kindheit oder Jugend muss allerdings gut durchdacht sein, denn sie hat weitreichende Folgen, und auch rechtliche Aspekte spielen eine Rolle. Ein Überblick.
Judith Schmitz
27.06.2024  12:00 Uhr

Nur in Studien

Ob all diese Behandlungen die Symptome einer GD lindern und die psychische Gesundheit bei betroffenen Kindern und Jugendlichen verbessern, dazu gibt es nach aktuellem Kenntnisstand keine medizinische Evidenz. Daher hatte der 128. Deutsche Ärztetag im Mai die Bundesregierung aufgefordert, die Gabe von Pubertätsblockern, gegengeschlechtlichen Hormonen sowie Operationen bei Minderjährigen nur innerhalb kontrollierter wissenschaftlicher Studien zu gestatten. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sollen dann in die Überarbeitung der Leitlinie fließen. Andere Länder, etwa Großbritannien, haben den Zugang Jugendlicher zu den gegengeschlechtlichen Therapien bereits eingeschränkt und setzen vermehrt auf eine psychosoziale Unterstützung der Betroffenen.

»Geschlechtsmerkmale verändernde Operationen bei Minderjährigen sind meines Erachtes rechtlich hoch problematisch wegen der ,Ersatzeinwilligungʽ durch die Eltern und ethisch sowieso. Bereits beim Einsatz von Pubertätsblockade und gegengeschlechtlicher Hormontherapie geht es darum, verschiedene Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen und zu entscheiden, was das höhere Rechtsgut ist«, sagt der Kinder- und Jugendpsychiater und Experte für Geschlechtsdysphorie, Dr. Alexander Korte, vom LMU-Klinikum München gegenüber PTA-Forum.

Selbstbestimmung und Schutz

Hier konkurriert das Recht auf Selbstbestimmung der Minderjährigen mit der Schutzverpflichtung von Sorgeberechtigten und Staat. Die Frage ist: Inwiefern kann ein Minderjähriger frei über sich entscheiden und inwiefern muss er vor sich geschützt werden? In der Psychiatrie ergibt sich ein solcher Konflikt laut Korte häufiger, etwa bei Menschen mit Depressionen, die suizidal werden, oder bei Menschen mit Anorexie, die immer weiter abnehmen wollen.

Ein weiterer Punkt ist die Einwilligungsfähigkeit. Laut Korte müssen hierzu einige Voraussetzungen erfüllt sein: Einsichtfähigkeit, Urteilsfähigkeit sowie die Steuerungs- und Entscheidungsfähigkeit, aus der gewonnenen Einsicht und dem gefällten Urteil eine Handlung ableiten zu können. Bei einem Erwachsenen ist diese Einwilligungsfähigkeit gegeben, bei einem Minderjährigen bedarf sie laut Korte der Feststellung durch den Arzt und muss begründet sein. Denn die Fähigkeit zur Einwilligung benötigt Lebenserfahrung, die erst allmählich im Rahmen der Persönlichkeitsentwicklung wächst. Die Frage ist hier, wo die Schwelle liegt, die Tragweite einer Entscheidung zu erfassen.

»Je folgenreicher der Eingriff, desto fortgeschrittener sollte die Persönlichkeitsentwicklung sein«, so Korte. Dabei sei nicht das kalendarische Alter entscheidend, sondern das Entwicklungsalter. Die psychosexuelle Entwicklung und Identitätsfindung ist seiner Meinung nach nicht mit 17 Jahren abgeschlossen. Dazu gibt es aber unterschiedliche Ansichten unter Medizinern und Juristen.

Auf der anderen Seite hat ein Kind das Recht auf einen eigenen Willen, das Recht, seinen Wunsch zu äußern, sowie unabhängig von seiner Einwilligungsfähigkeit das Recht auf Teilhabe an der Entscheidungsfindung. »Der Kindeswille entspricht jedoch nicht unbedingt dem Kindeswohl. Sämtliche Entscheidungen sind jedoch am Kindeswohl auszurichten. Das Kindeswohl ist das größte Rechtsgut«, so Korte. Welcher Umgang mit GD bei Minderjährigen am ehesten dem Kindeswohl entspricht, ist aktuell Gegenstand der Diskussionen.

Die Pflicht des behandelnden Arztes ist es, im Rahmen des sogenannten Shared Decision Making einen informierten Konsens zwischen ihm, Minderjährigem und Sorgeberechtigten herzustellen und diese über Vor- und Nachteile der medizinischen Maßnahmen, Langzeitfolgen, Risiken und Gefahren zu informieren. Zu diskutieren bleibt, ob selbst die Eltern aufgrund der weitreichenden Folgen bei mangelnder Evidenz in eine Behandlung ihrer Kinder mit Pubertätsblockern und gegengeschlechtlichen Hormonen – beides im Off-Label-Gebrauch – sowie Operationen überhaupt informiert einwilligen können.

Wie die Interessengemeinschaft »Transteens- Sorge berechtigt« PTA-Forum mitteilt, gebe es Fälle, in denen Minderjährige per Familiengericht medizinische Maßnahmen erzwingen wollen. Durch eingeschaltete Jugendämter erübrige sich meist das Familiengericht. Aber: »In einigen Fällen sahen sich Eltern durch den Verfahrensverlauf gezwungen, der Medikation mit Hormonen stattzugeben, um die Gesundheitsfürsorge für ihr Kind nicht komplett zu verlieren.« »Transteens - Sorge berechtigt« und auch andere Organisationen kritisieren, dass die Diagnose GD/GI bei einigen Kindern voreilig gestellt werde. Komorbiditäten und frühere Traumata würden ignoriert. Auch werde in einigen Fällen mit der drohenden Suizidgefahr ein Druckmittel für die Eltern aufgebaut. Zudem hielten sie die von den behandelnden Ärzten bereitgestellten Informationen oft für unvollständig.

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