Unterschätzte Promille in der Schwangerschaft |
Barbara Döring |
24.04.2023 11:30 Uhr |
Das Problem: Der Alkohol gelangt aus dem mütterlichen Kreislauf über die Plazenta in das Blut des Fetus und kann so ungehindert die Organe und vor allem das Nervensystem schädigen. Gönnt sich eine Schwangere ein Gläschen Sekt, bemerkt sie selbst vielleicht nur einen kleinen Schwips und ihre Leber macht sich gleich an die Entgiftung. Anders beim Fetus: Da ist die unreife Leber noch nicht in der Lage, schädigende Stoffe schnell zu beseitigen. Die Ausscheidung erfolgt bei ihm, indem der Alkohol über die Plazenta in den mütterlichen Kreislauf zurückfließt. Der Blutalkoholspiegel sinkt deshalb viel langsamer als bei der Mutter. Das eine Glas Sekt kann beim Fetus deshalb zu einem tagelangen Rausch führen und dabei bereits vorhandene Zellen schädigen und die Zellneubildung behindern. Die Organbildung, das Körperwachstum und das Nervensystem können also beeinträchtigt werden.
Wie stark sich der Alkohol auswirkt und welche Organe und Körperteile betroffen sind, hängt davon ab, zu welchem Zeitpunkt das Zellgift konsumiert wurde, da es für die Organe unterschiedliche Entwicklungsfenster gibt. So finden strukturelle Schädigungen der Organe im ersten Schwangerschaftsdrittel statt, das Gehirn ist dagegen während der gesamten Zeit der Schwangerschaft anfällig für die toxische Wirkung. Seine Entwicklung beginnt bereits zwischen dem 19. und 21. Embryonaltag und hält bis nach der Geburt an. Frauen, die getrunken haben, als sie noch nicht wussten, dass sie schwanger waren, müssen sich jedoch in der Regel keine Gedanken machen. In den ersten 14 Tagen nach der Befruchtung gilt das Alles-oder-Nichts-Prinzip: Wäre eine Eizelle schwer geschädigt, würde sie sich nicht weiterentwickeln und mit einer Regelblutung abgehen.
Nach dieser Anfangsphase besteht das Risiko für alkoholbedingte Gehirnschäden auch durch einzelne Spitzen des Blutalkoholgehalts. Wenn vor allem in den ersten Schwangerschaftswochen über den Durst hinaus getrunken wurde, kann dieses »binge drinking« mindestens genauso starke Auswirkungen haben, wie gleichmäßiges Trinken über die gesamte Schwangerschaft hinweg. Der gleichzeitige Konsum von Genussmitteln und Drogen wie Tabak oder Cannabis können die fruchtschädigende Wirkung von Alkohol noch verstärken.
Frauen, denen es schwerfällt, in der Schwangerschaft komplett auf Alkohol zu verzichten, finden auf der Website IRIS Unterstützung mit Übungen und psychologischen Tipps. Die Programme sind auf die persönlichen Konsumgewohnheiten zugeschnitten, aber anonym: www.iris-plattform.de
Die Broschüre »Andere Umstände – neue Verantwortung« mit Informationen und Tipps zum Alkoholverzicht in Schwangerschaft und Stillzeit gibt es bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum kostenlosen Download in der Kategorie Familienplanung – Schwangerschaft und Geburt: www.bzga.de.