Vegane Ernährung auch für Allergiker und Kinder? |
Verena Schmidt |
15.09.2023 11:30 Uhr |
Wachsen Kinder vegan auf, sollten sich die Eltern gut mit der Ernährung auskennen. Es gilt, die Proteinzufuhr und die Versorgung mit kritischen Nährstoffen im Blick zu behalten. / Foto: Adobe Stock/vaaseenaa
In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Menschen, die sich vegan ernähren, stetig gestiegen. Im Jahr 2022 lag sie laut der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse in Deutschland bei knapp 1,6 Millionen. Veganer verzichten auf Fisch und Fleisch, daneben werden auch alle anderen Produkte, die von Tieren gewonnen werden, gemieden, also Milch und Milchprodukte, Eier, Honig und Gelatine. Oft beschränkt sich die Lebenseinstellung »vegan« nicht auf die Ernährung: Bei der Kleidung wird auf Leder und Fell verzichtet und auch verwendete Kosmetik und Arzneimittel sollen ohne tierische Produkte hergestellt sein.
Warum sich Menschen für die vegane Lebensweise entscheiden, ist unterschiedlich: Die vorherrschenden Beweggründe sind meist Tierwohl, Nachhaltigkeit und Klimaschutz, aber auch religiöse Gründe können eine Rolle spielen. Nicht zuletzt sind für viele auch die möglichen gesundheitlichen Vorteile einer pflanzenbasierten Ernährung entscheidend: Immerhin ist durchaus das Potenzial vorhanden, Erkrankungen wie Übergewicht, Typ-2-Diabetes, kardiovaskulären Erkrankungen, Gicht und einigen Krebsarten vorzubeugen.
Der Umstieg auf eine komplett pflanzliche Kost ist jedoch nicht ganz banal. Veganer sollten sich gut informieren und kritische Nährstoffe im Blick behalten, sonst droht eine Mangelversorgung, warnen Experten. Um sich bewusst vegan zu ernähren, sei es unverzichtbar, sich damit aktiv auseinanderzusetzen, sagt auch Dr. Imke Reese, Ernährungsberaterin und -therapeutin mit dem Schwerpunkt Allergologie, laut einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (DGAKI). »Es geht nicht darum, was nicht mehr auf dem Teller liegen soll, sondern darum, was alternativ gegessen werden muss, um alle lebenswichtigen Nährstoffe in ausreichender Menge zu erhalten.«
Nicht nur bei Kindern, auch bei Allergikern sei Vorsicht geboten, denn viele industrielle Produkte im Supermarkt gäben nicht immer exakt Auskunft über alle Inhaltsstoffe, heißt es in der Pressemeldung der DGAKI. Gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Arbeitsgruppe Nahrungsmittelallergie hat Reese in diesem Jahr das Positionspapier »Vegane Kostformen aus allergologischer Sicht« veröffentlicht, das sich mit den Vorteilen, Nachteilen und Grenzen veganer Ernährung auseinandersetzt.
»Nur weil ›vegan‹ auf der Verpackung steht, bedeutet dies nicht, dass sich keinerlei tierisches Eiweiß darin befindet«, so Professor Dr. Margitta Worm, Präsidentin der DGAKI in der Pressemeldung, »die Deklaration bezieht sich auf die Zutaten, nicht auf produktionsbedingte unbeabsichtigte Einträge.« Patienten, die etwa auf Ei oder Milch reagieren, können sich bei als vegan gekennzeichneten Lebensmitteln also nicht hundertprozentig darauf verlassen, dass keine tierischen Allergene enthalten sind.
Pflanzenbasierte Alternativen zu tierischen Produkten enthalten oft Weizen, Soja, Erdnüsse, Lupine, Erbse, Bockshornklee, Cashew, Haselnuss, Sesam oder Hanf – diese haben laut Reese natürlich auch das Potenzial, allergische Reaktionen auszulösen. Für Pollenallergiker können etwa vegane Produkte mit Soja, Mandel, Lupine oder Erbse ein Problem werden, da sie Kreuzallergien gegen diese entwickeln können. Folgen können Fließschnupfen, Kribbeln und Jucken in Mund- und Rachenraum bis hin zum Asthmaanfall sein, warnt etwa der Deutsche Allergie- und Asthmabund (DAAB).
Die Allergologen betonen im Positionspapier auch: Viele vegane Produkte seien so stark verarbeitet, dass die Qualität der Gesamternährung darunter leidet. Die Vorteile, die mit einer pflanzlichen Ernährung assoziiert werden, gingen so verloren. »Eine traditionelle vegane Ernährung, in der mit hochwertigen Produkten selbst gekocht wird, kann funktionieren, benötigt aber fundiertes Wissen und Zeit«, so Ernährungsberaterin Reese, »eine rein vegane Ernährung hat für viele Menschen Grenzen, denen sie sich bewusst sein müssen.«