Wann steht eine Mandelentfernung an? |
Während Ärzte früher bereits bei einer mäßigen Vergrößerung der Mandeln oder bei Entzündungen rasch zu deren operativer Entfernung geraten haben, sind sie heute im Großen und Ganzen viel zurückhaltender. Laut Versichertendaten der AOK sank die Zahl der Mandelentfernungen von 2012 bis 2018 um rund 50 Prozent. Der Grund für die Abnahme liegt darin, dass die Bedeutung der Mandeln für das Immunsystem vor allem im Kindesalter heutzutage höher eingeschätzt wird. Allerdings ist bislang wissenschaftlich nicht geklärt, ob die Entfernung der Mandeln das Immunsystem tatsächlich nachhaltig schwächt. Möglicherweise übernehmen die Immunzellen des Seitenstrangs die Aufgaben der Gaumenmandeln. Der Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte empfiehlt jedenfalls derzeit, die Mandeln nur bei wiederkehrenden Infekten (mehr als fünf- bis sechsmal im Jahr), bei einer Mitbelastung anderer Organe oder bei Atem- und Schluckbeschwerden zu entfernen – möglichst aber nicht vor dem fünften Geburtstag.
Ein guter Grund, nur in notwendigen Fällen zu operieren, liegt auch darin, dass Operationen immer auch ein gewisses Risiko für Komplikationen bergen. Bei Mandeloperationen sind es vor allem Blutungen, die sogar noch zwei bis drei Wochen nach der Operation auftreten können. Da der Bereich rund um die Mandeln stark durchblutet ist, kann ein Aufreißen der Wunde unter Umständen zu erheblichen Blutverlusten führen. Die Blutungen sind nicht immer leicht zu bemerken, da das Kind das Blut oft automatisch herunterschluckt. Eltern sollten ihr Kind im Falle einer Nachblutung immer sofort in ein Krankenhaus bringen. Falls nur die Rachenmandel vergrößert ist, gibt es eine medikamentöse Alternative zur Operation. Mit einem Cortisol-Nasenspray gelingt es oft, die Rachenmandel schrumpfen zu lassen, sodass sie keine Probleme mehr macht.
HNO-Ärzte unterscheiden zwischen einer vollständigen und einer teilweisen Entfernung der Mandeln. Letztere hat den Vorteil, dass sie weniger belastend für das Kind ist, weil der Eingriff ambulant durchgeführt werden kann. Er verursacht weniger Schmerzen und heilt schneller, als wenn die Mandeln vollständig entfernt werden. Auch das Risiko für Nachblutungen ist geringer. Eltern sollten jedoch wissen, dass bei etwa fünf Prozent der operierten Kinder die Gaumenmandeln wieder nachwachsen und erneut zu Problemen führen können. Auch bei Erwachsenen kann eine Mandeloperation manchmal sinnvoll sein. Sie wird empfohlen, wenn Patienten häufig an einer bakteriellen Mandelentzündung erkranken und dabei starke Beschwerden haben.