Warum der Rücken schmerzt und was dagegen hilft |
In 85 Prozent der Rückenschmerz-Fälle spielen wohl muskuläre Dysbalancen eine Rolle. / Foto: Getty Images/DjelicS
Bei vielen Menschen steht die linke Schulter etwas höher als die rechte. Diese Beobachtung macht der Physiotherapeut Alexander Srokovskyi immer wieder in seinem Berufsalltag. Und er hat eine Vermutung, was dahintersteckt: »asymmetrische Tätigkeiten wie das Autofahren. Man hat die eine Hand weiter oben auf dem Lenkrad, die andere weiter unten auf der Schaltung.« Nur ein Beispiel für eine typische Haltung, die viele im Alltag immer wieder einnehmen – und die sich auf Dauer schmerzhaft im Rücken bemerkbar machen kann.
Denn steigen wir aus dem Auto aus und laufen, passiert Folgendes: »Die Muskulatur arbeitet auf der einen Seite mehr. Und auf der anderen weniger«, sagt Alexander Srokovskyi. Die Folge: Einige Muskelpartien werden so auf Dauer permanent überdehnt, andere verkürzen sich. Es entsteht ein Ungleichgewicht, eine muskuläre Dysbalance, wie Fachleute es nennen. Der Bewegungsapparat wird dadurch instabiler, die Muskeln können die Wirbelsäule nicht mehr so gut halten. Und vor allem: Einige Muskeln sind dadurch starker Spannung ausgesetzt, was am Ende der Ausgangspunkt für Schmerzen ist. Oder wie Srokovskyi zusammenfasst: »Ursache von Rückenschmerzen ist oft, dass eine einzelne kleine Struktur sehr viel Stress aushalten muss.«
Dazu können viele Haltungen im Alltag beitragen, natürlich nicht nur das Autofahren. Vielleicht ertappen Sie sich auch regelmäßig dabei, krumm und schief am Schreibtisch oder Esstisch zu sitzen. Oder wie Ihr Kopf leicht nach vorn kippt, wenn Sie kilometerweit durch die Feeds in den sozialen Netzwerken scrollen.
Der Orthopäde Matthias Manke weiß aus eigener Erfahrung: Wenn Patientinnen und Patienten mit Rückenbeschwerden in die Arztpraxis kommen, dann vermuten sie oft eine klare Ursache. Nach dem Motto: Es muss die Bandscheibe sein oder Verschleiß. Der Mediziner schätzt allerdings, dass bei 85 Prozent der Rückenschmerz-Fälle muskuläre Dysbalancen eine Rolle spielen. Lässt sich keine klare Ursache für die Rückenschmerzen finden – kein Bandscheibenvorfall, kein Wirbelgleiten, kein Tumor, keine Wirbelsäulenverkrümmung durch eine Skoliose – dann nennt man sie in der Medizin unspezifisch.
Auch unsere psychische Verfassung kann zu unspezifischen Rückenschmerzen führen – der schwere Rucksack aus Sorgen, Ängsten und Problemen, den viele mit sich herumtragen. »Wenn wir Stress erleben, ist der ganze Bewegungsapparat viel empfindlicher geschaltet«, sagt Matthias Manke. Es kommt leichter zu schmerzhaften Verspannungen. Es frustriert vielleicht, keine eindeutige Erklärung für den Rückenschmerz zu haben – vor allem, wenn es immer wieder zieht und zwickt. Die gute Nachricht: Nicht-spezifische Rückenschmerzen sind meist harmlos – das unangenehme Ziehen verzieht sich oft von selbst.
Dennoch gilt: »Im Akutfall ist wichtig, dass man abklärt, was dahinterstecken könnte«, sagt Alexander Srokovskyi. Ertappen Sie sich in solchen Situation bei dem Wunsch, die Ärztin möge das Problem mit einer Spritze, mit Schmerzmitteln oder einem Rezept für Massagen schnell beheben? Diese Maßnahmen setzen aber nicht an der Wurzel des Problems an. »Schmerzen sind ein Signal, dass wir selbst etwas tun müssen«, sagt Matthias Manke.