Was bei der Ernährung im Alter zu beachten ist |
Juliane Brüggen |
31.01.2023 16:00 Uhr |
Ist das Altwerden gelungen, müssen beim Essen bestimmte physiologische Änderungen berücksichtigt werden. Zentral ist der veränderte Energie- und Nährstoffbedarf im Alter. Der Körper benötigt weniger Kohlenhydrate und Fett. Außerdem sinkt der Grundumsatz. Während die Portionen dementsprechend kleiner werden, bleibt der Bedarf an Mikronährstoffen jedoch überwiegend gleich. »Die Konsequenz ist, dass die Mikronährstoffdichte ansteigen muss«, erklärte Smollich, was jedoch oftmals nicht erreicht werde. Erschwerend kommt hinzu, dass im Alter die intestinale Absorption reduziert ist und die Magensäureproduktion sinkt. »Das bedeutet, dass der Aufschluss von Mikronährstoffen aus der Nahrung schlechter wird.« Weitere Risikofaktoren für eine Mangelernährung sind nachlassende Sensorik, Zahn- und Kauprobleme, Demenz, eingeschränkte Mobilität, nachlassendes Hunger- und Sättigungsgefühl (»Altersanorexie«) sowie unerwünschte Arzneimittelwirkungen wie Mundtrockenheit oder Appetitlosigkeit.
Essenziell ist laut Smollich, den Verlust an Muskelmasse (Sarkopenie) im Blick zu behalten. Denn durch diesen gehe die Funktionalität im Alltag verloren, was in einen »Teufelskreis der Gebrechlichkeit« führen könne. Schon einige Tage im Liegen haben drastische Auswirkungen: »Wir haben bei über 65-Jährigen, wenn sie fünf Tage im Bett liegen, einen Verlust von 20 Prozent der Beinmuskulatur.«
Zur Entstehung der Sarkopenie trägt ganz wesentlich ein Proteinmangel bei. Die Zufuhrempfehlung lautet 1,0 bis 1,2 g Protein/kg Körpergewicht (KG) pro Tag inklusive 2,5 g Leucin pro Mahlzeit. »Gerade verzweigte Aminosäuren sind wichtig, da sie muskelanabol wirken.« Bei Krankheit oder bestehender Mangelernährung sollten es 1,2 bis 2,0 g Protein/kg KG pro Tag sein, was oft nur mit Supplementation erreichbar ist. Wichtig ist Smollich zufolge, diese mit Krafttraining zu verbinden: »Wir brauchen den physiologischen Stimulus, damit eine proteinreiche Ernährung wirken kann.«
Zu den im Alter kritischen Mikronährstoffen zählen unter anderem Calcium und Vitamin D sowie Vitamin B12. Bei letzterem besteht häufig ein Defizit: etwa 30 Prozent der älteren Menschen haben einen Mangel. »Gerade Protonenpumpeninhibitoren und Metformin reduzieren die B12-Aufnahme«, warnte Smollich. Bei Symptomen wie Polyneuropathie, Frailty-Syndrom oder depressiver Pseudodemenz müsse daran gedacht werden. »Die Mangelsymptome werden ganz oft als alterstypisch bagatellisiert.«
Calcium und Vitamin D sollten Senioren außerhalb von Gemeinschaftseinrichtungen nicht unspezifisch einnehmen, sondern nur bei Risikofaktoren wie Osteoporose, knochendichtereduzierender Medikation oder einem Mangel. Zwei Fallstricke gibt es zu beachten: Vitamin D sollte bei einer täglichen Calciumaufnahme unter 1000 mg nicht isoliert eingenommen werden und eine Calciumzufuhr von über 2400 mg pro Tag erhöht das kardiovaskuläre Risiko. Das erreiche man schnell mit mineralhaltigem Wasser und Tabletten, so Smollich.
Bei Menschen über 65 Jahren die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zur Nährstoffzufuhr heranzuziehen, ist Smollich zufolge nicht immer eine gute Idee. Denn die Referenzwerte gelten nicht für Kranke, Rekonvaleszente und Menschen, die regelmäßig Medikamente einnehmen, entleerte Nährstoffspeicher haben oder regelmäßig Alkohol trinken. Bei diesen Personen sollten stattdessen die medizinischen Leitlinien zurate gezogen werden.