Wichtiges Wissen rund um das Ertrinken |
Es ist ein Moment, der einem das Blut in den Adern gefrieren lässt, auch am heißesten Sommertag: Ein Kopf, der vorhin noch über der Wasseroberfläche des Sees war, ist verschwunden. Und jetzt? / Foto: Getty Images/BreakingTheWalls
»Das Baywatch-Syndrom«, sagt Benjamin Taitsch, stellvertretender Vorsitzender der Bayerischen Wasserwacht. Das ist die Annahme vieler Menschen, dass Ertrinken actionreich mit lauten Hilferufen abläuft. »Dabei passiert es in aller Regel sehr, sehr leise.« Kraft für wildes Rumrudern mit den Armen – die bleibt oft nicht mehr. »Die Menschen haben alles andere zu tun, als auf sich aufmerksam zu machen. Sie kämpfen ums Überleben«, sagt Philipp Pijl, Teamleiter Einsatz von der Bundesgeschäftsstelle der DLRG.
Ein weiterer Mythos: »Viele Menschen glauben, dass primär Nichtschwimmer ertrinken. Dabei ist das Schwimmenkönnen längst nicht der einzige Faktor«, sagt Philipp Pijl. Das zeigen auch die Daten: Wer erwartet, dass vor allem Kinder und Jugendliche ertrinken, irrt. »Der Schwerpunkt liegt eher auf Männern mittleren und höheren Alters.« Leichtsinn, Alkohol oder eine plötzliche Kreislaufschwäche – all das kann auch geübte Schwimmer in Lebensgefahr bringen.
Beim Schwimmen im Fluss wird die Strömung unterschätzt. Man ist betrunken zu weit rausgeschwommen. Oder das Kind ist gestolpert und mit dem Gesicht ins Wasser gefallen. Wie auch immer es zu einem Ertrinkungsunfall kommt: Das Problem ist der Sauerstoffmangel, der im schlimmsten Fall zum Tod führt. Denn unsere Organe – allen voran das Gehirn – können nur funktionieren, wenn sie ausreichend mit Sauerstoff versorgt sind.
Philipp Wolf, Landesarzt der Wasserwacht Bayern, skizziert einen Ertrinkungsunfall am Beispiel eines Wassersportlers, der an einem Sommertag auf einem SUP Board unterwegs ist: Es ist heiß, sein Körper ist aufgeheizt. »Fällt er nun unerwartet ins Wasser, kommt es zu einem Kälteschock, wofür das Wasser nicht einmal besonders kalt sein muss«, sagt Wolf. Die Folge: Der Wassersportler fällt in eine Art Starre. Er atmet reflexartig und tief mit einem Schnaufen ein. So wie man es tut, wenn man nach dem Saunabesuch ins Eisbad taucht. »Dadurch gelangt Wasser an die Stimmritzen und die Stimmbänder – und die machen zu«, sagt Wolf. Dieser sogenannte Stimmritzenkrampf ist ein Schutzmechanismus. Er verhindert, dass Wasser in die Lunge gelangt.
Aber durch den Stimmritzenkrampf kann der Wassersportler nun nicht mehr schreien. Er bekommt Panik. »Er kriegt keine Luft mehr, hat aber auch keine Luft mehr«, beschreibt der Mediziner. Durch den Sauerstoffmangel kommt es mit der Zeit zu Bewusstlosigkeit, der Wassersportler geht unter. »In solchen Fällen findet man in der Regel kein Wasser in der Lunge – es ist ein trockenes Ertrinken«, so Wolf.
Es kann aber auch sein, dass beim Ertrinken viel Wasser in die Lunge gelangt. Zum Beispiel dann, wenn jemand beim Schwimmen einen medizinischen Notfall wie einen Herzinfarkt erleidet. »Wenn es ein leichter Herzinfarkt ist, kann die Person vielleicht noch schwimmen und bekommt Panik. Bei einem schweren Infarkt ist sie nach wenigen Sekunden unter der Wasseroberfläche«, sagt Philipp Pijl.