Zucker für die Harnwege |
D-Mannose ummantelt Escherichia coli und hindert diese somit am Anheften an das Urothel. / Foto: Fotolia/Gunnar Assmy
Die überwiegende Mehrheit der akuten unkomplizierten Harnwegsinfekte verläuft ohne Komplikationen. Zudem wissen die meisten Patientinnen ihre Beschwerden gut einzuschätzen. Insofern spreche prinzipiell nichts gegen eine Selbstmedikation, sagte Dr. Ludwig Baumgartner, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe aus Freising. »Wir brauchen in der Apotheke PTA und Apotheker mit Fingerspitzengefühl und Erfahrung. So lange keine Gefahr einer aufsteigenden Infektion mit intensivem Krankheitsgefühl, Schmerzen in der Nierengegend und Fieber besteht, können Präparate zur Selbstmedikation empfohlen werden – zumal viele aufgeklärte Frauen Antibiotika ablehnen.«
Die S3-Leitlinie zur Behandlung von Harnwegsinfekten lässt die alleinige symptomatische Behandlung als eine probate Möglichkeit zur sofortigen Antibiotikagabe auch zu. Hier sieht Baumgartner in dem Einfachzucker D-Mannose eine sinnvolle und gut verträgliche Möglichkeit, sich selbst zu therapieren. Das Monosaccharid sei in der Lage, beim akuten Infekt die Symptome zu lindern und das Risiko des Auftretens einer erneuten Entzündung herabzufahren. »Ihr Wirkprinzip ist bestechend einfach, weil man sich das körpereigene Vorhandensein der Mannose im Urothel zunutze macht«, erklärte er.
Das funktioniert so: Die Pathogenese einer Harnwegsinfektion spielt sich am Urothel, der Auskleidungsschicht von Blase und Harnwegen, ab. Escherichia coli, der Hauptübeltäter im Infektionsgeschehen, heftet sich mit Hilfe seiner Fimbrien an die Mannose-haltige Glycoprotein-Oberfläche des Urothels, auch Glykokalyx genannt. Das setzt die lästigen inflammatorischen Prozesse in Gang. Durch die orale Einnahme zusätzlicher Mannose – die zum großen Teil unverstoffwechselt über den Harn wieder ausgeschieden wird - binden die Fimbrien von E. coli nicht an die Glykokalix, sondern an »die frei herumschwimmenden Mannose-Moleküle. Diese ummanteln quasi die Bakterien, sodass diese nicht mehr an der Schleimhaut anhaften können«, erklärte der Referent.
Dazu reicht die Einnahme von 2 Gramm Mannose pro Tag. »Der Körper kann Mannose zwar auch selbst aus Fructose herstellen, aber nicht in diesen Mengen«, stellte der Mediziner das Stereoisomer zu D-Glucose vor. Wichtig für die Beratung: Mannose hat keine kalorische Potenz, macht also nicht dick.
Die Datenlage sei derweil noch überschaubar, für die Rezidivprophylaxe gar besser als für die Akuttherapie. Baumgartner zitierte eine römische Studie, bei der Frauen nach durchgemachter Blasenentzündung über sechs Monate Mannose zur Rezidivprophylaxe einnahmen. In dieser Gruppe erlitten nur 4,5 Prozent ein Rezidiv gegenüber 33,3 Prozent der unbehandelten Vergleichsgruppe.
In einer weiteren Studie zur Rezidivprophylaxe wurde D-Mannose im Cross-over-Design im direkten Vergleich mit Antibiotika über 24 Monate geprüft. Die sechsmonatige Mannose-Einnahme habe die Patientinnen viermal länger (200 Tage versus 50 Tage) vor einem erneuten Infekt bewahrt als die sechsmonatige Antibiotika-Einnahme. Angesichts der Resistenzentwicklungen und Nebenwirkungen von Antibiotika hält Baumgartner eine mehrmonatige Rezidivprophylaxe mit Mannose für Frauen mit wiederkehrenden Harnwegsinfekten für eine »natürliche Lösung des Problems«.
Im Beratungsgespräch sollten PTA und Apotheker an den Arzt verweisen, wenn …
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