Arzneimittel im Wasser |
Bis heute sind die Kläranlagen in Deutschland nicht darauf ausgelegt, die sogenannten Mikroverunreinigungen aus dem Wasser herauszufiltern. Dazu zählen neben den Arzneistoffen auch Pflanzenschutzmittel, Haushaltschemikalien, Körperpflegeprodukte und Biozide. Konventionelle Klärwerke sind lediglich in der Lage, über mehrere Reinigungsstufen Feststoffe und biologisch abbaubare organische Substanzen zu eliminieren und die Abgabe von Nährstoffen wie Phosphor und Stickstoff in die Gewässer zu regulieren. Der mikrobielle Abbau von Arzneistoffen und anderen stabilen Chemikalien gelingt jedoch nicht, im besten Fall produzieren die Bakterien im Klärwerk stabile, in ihrer Zusammensetzung aber teilweise noch unbekannte Metabolite. Im Fall von Arzneistoffen sind diese meist wasserlöslich und fließen in Gewässer ab. Unlösliche Substanzen werden mit dem Klärschlamm in Biogasanlagen verbrannt oder auf Agrarflächen als Dünger ausgebracht.
In den Klärwerken liegen die Konzentrationen an Arzneistoffen zwischen einem und zehn Mikrogramm pro Liter, durch den Verdünnungseffekt sinken diese in Fließgewässern auf bis zu 100 Nanogramm pro Liter. Forscher finden an einzelnen Stellen, zum Beispiel an kleinen Flüssen mit niedriger Fließgeschwindigkeit, mitunter aber auch sehr viel höhere Werte.
Bevor ein Arzneistoff von einer Weide oder einer Lagerfläche für Klärschlamm zusammen mit Niederschlägen ins Grundwasser gelangen kann, muss er in der Regel mehrere Erdschichten passieren, die die Lösung filtern. Doch in diesen verschwinden die Substanzen nicht einfach. Arzneimittelrückstände mit einer hohen Sorptionsaffinität, zum Beispiel Tetracycline, binden stärker an der Feststoffmatrix im Boden und werden irgendwann durch Erosionsprozesse in
Oberflächengewässer gespült, während Substanzen mit einer niedrigen Sorptionsaffinität wie beispielsweise Sulfonamide direkt ins Grundwasser dringen. Dort finden sich durchaus Arzneistoffe in etwa in der Größenordnung wie in Flüssen.
In den Wasserreservoirs sind viele Arzneistoffe relativ stabil. Experten gehen nicht davon aus, dass sie sich dort in nennenswertem Umfang abbauen. Auch Wasserbewohner, die die Stoffe aufnehmen, scheiden sie irgendwann wieder in ihre Umgebung aus. Das Problem löst sich also nicht durch Abwarten, mit der Zeit wird es eher kumulieren. Einig sind sich die Wissenschaftler bereits darüber, dass Antibiotikarückstände die Entstehung von Resistenzen begünstigen und dass die Rückstände hochwirksamer Arzneistoffe wie Hormone und Zytostatika eines Tages zu ernsthaften Problemen in der Wasserversorgung führen können. Wie die Summe aller im Wasser gelösten Mikroverunreinigungen auf Mensch und Natur wirkt, ist noch längst nicht erforscht. Auch die Gewässerproben finden derzeit nur punktuell statt, ein flächendeckendes Monitoring ist nicht in Sicht.