Auf der Suche nach Covid-19-Medikamenten |
Sven Siebenand |
14.12.2020 12:30 Uhr |
Neben antiviral wirksamen Mitteln sind unter den Testsubtanzen auch viele Immunmodulatoren zu finden. Sie werden mit dem Ziel erprobt, einen gefährlichen Zytokinsturm, die Überreaktion des Immunsystems, bei Covid-19-Patienten zu verhindern. Sehr viele Studien mit Antikörpern laufen bereits. Dabei sind einige, die in das Komplementsystem, einen wichtigen Teil der unspezifischen humoralen Immunabwehr, eingreifen. Die Antikörper Eculizumab (Soliris®), Ravulizumab (Ultomiris®) und IFX-1 richten sich zum Beispiel gegen den Komplementfaktor C5a.
Forscher halten auch Interleukin-6 (IL-6) für ein gutes Target, um den Zytokinsturm bei Covid-19 zu beherrschen. IL-6-Antikörper sind zur Behandlung anderer Erkrankungen schon lange auf dem Markt. Tocilizumab (Roactemra®), Sarilumab (Kevzara®) und Siltuximab (Sylvant®) werden in vielen Studien nun auch bei Covid-19 untersucht. Manche Ergebnisse waren enttäuschend, teilweise gibt es aber auch Hoffnungsschimmer zu vermelden. In Russland ist der Antikörper Levilimab (Ilsira®), der sich gegen den IL-6-Rezeptor richtet, bereits registriert für die Behandlung von schwerkranken Covid-19-Patienten.
Nicht nur mit Antikörpern ist es möglich, immunmodulatorische Effekte zu erzielen. Die Vertreter der Klasse der Januskinase-Hemmer zum Beispiel wirken auch immunmodulatorisch. Daher wundert es wenig, dass auch sie klinisch erprobt werden. Zu den JAK-Hemmern zählen unter anderem Baricitinib (Olumiant®), Tofacitinib (Xeljanz®) und Ruxolitinib (Jakavi®).
Im Gespräch ist auch die Immunmodulation via Toll-like-Rezeptoren (TLR). TLR sind wichtige Strukturen des angeborenen Immunsystems. Sie erkennen zum Beispiel Bestandteile von Viren und Bakterien und können so biochemische Reaktionsketten in Gang setzen, die der Abwehr dieser Krankheitserreger dienen. Doch Achtung: Eine übermäßige Aktivierung von TLR7/8 kann aber zu einer übermäßigen Mobilisierung von Immunzellen und einem Entzündungsgeschehen führen, das bei unzureichender Regulierung schwere Störungen des Immunsystems zur Konsequenz haben kann.
M5049 wird für verschiedene immunologische Indikationen entwickelt und unter anderem auch bei Covid-19 getestet. Es soll die Aktivierung der TLR 7 und 8 blockieren. Möglicherweise könnte aber auch eine agonistische Aktivität an TLR einen Nutzen haben. Ein Nasenspray mit der Substanz INNA-051 befindet sich in der Pipeline. Es wirkt als Agonisten an TLR2/6 und soll das angeborene Immunsystem besonders rasch und früh aktivieren, sodass das Spray zur Prophylaxe eingesetzt werden könnte.
Aufgrund seiner immunmodulatorischen Eigenschaften ist auch der alt bekannte Wirkstoff Colchicin ein mögliches Covid-19-Mittel. Das vor allem als Gichtmedikament bekannte Alkaloid der Herbstzeitlosen wird gleich in mehreren Studien erprobt. Ebenso bekannt wie Colchicin sind Alphablocker wie Prazosin. Man geht davon aus, dass Catecholamine die Freisetzung von Zytokinen triggern können und damit einen negativen Einfluss auf die Entwicklung der Immunreaktion ausüben. Aus diesem Grund hofft man, einen Zytokinsturm bei Covid-19 mithilfe eines Alphablockers verhindern zu können.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.