Auf die Vielfalt kommt es an |
Barbara Döring |
08.09.2025 08:00 Uhr |
Vor allem die löslichen Ballaststoffe aus pflanzlichen Lebensmitteln kommen den günstigen Darmbakterien zugute. / © Adobe Stock/BetterPhoto/KI-generiert
Milliarden von Mikroorganismen bilden im menschlichen Darm ein komplexes Ökosystem, das nicht nur bei der Verdauung ganze Arbeit leistet, sondern auf der Darmwand einen effektiven Schutzschild gegen krankmachende Bakterien bildet. Dort wo die nützlichen Mikroben leben, haben die krankmachenden Eindringlinge keinen Platz. Gleichzeitig beeinflusst das Mikrobiom über seine Stoffwechselprodukte wie kurzkettige Fettsäuren (SCFA) zahlreiche Stoffwechselprozesse und trainiert das Immunsystem.
So beeinflusst es, wie der Körper auf Infektionen reagiert oder ob sich Autoimmunerkrankungen ausbilden. Einige Bakterien bilden zudem B-Vitamine und Vitamin K. Doch wie das Zusammenspiel der Mikroorganismen funktioniert und was ein gut funktionierendes Mikrobiom ausmacht, darüber ist noch wenig bekannt.
Ein Problem ist, dass die Darmbesiedelung von Mensch zu Mensch sehr variabel ist und von verschiedenen Faktoren wie Ernährung oder Medikamenteneinnahme abhängt. Bekannt ist, dass eine Antibiotikagabe eine Art Kahlschlag im Darm bewirkt und nicht nur die pathogenen Bakterien, sondern teilweise auch die nützlichen dezimiert. Auch sind noch längst nicht alle Mikroorganismen des Darmmikrobioms identifiziert. Welche der etwa 1000 verschiedenen Bakterienarten sind eher vorteilhaft, welche problematisch?
Selbst Stämme der gleichen Art wie bei Escherichia coli sind einmal günstig und einmal schädlich. Die Rede ist dann von Pathobionten. Andere – sogenannte Kommensalen – wiederum sind eher neutral und zeigen erst als Reaktion auf bestimmte Umweltfaktoren ihre gute oder schlechte Seite. Zumindest von einigen Arten ist bekannt, dass sie eher günstig wirken. Dazu zählen etwa Lactobazillen, wie sie in Joghurt enthalten sind.
Klar ist, dass sich Störungen des Mikrobioms auf die Gesundheit auswirken können. Bei verschiedenen Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes oder entzündlichen Darmerkrankungen lassen sich Veränderungen des Mikrobioms nachweisen, wobei nicht immer sicher ist, ob sie zur Pathogenese beitragen oder eine Folge der Erkrankung sind. Auch die Entwicklung einer Depression könnte vom Mikrobiom beeinflusst werden. Auf die ein oder andere Art haben die Mikroben vermutlich im gesamten Organismus ihre Hände im Spiel.
Das Mikrobiom besser zu verstehen, um es gezielt zu verändern, ist deshalb eine zentrale Vision der Wissenschaft. Ließe sich ein Ungleichgewicht sicher erkennen und gezielt beeinflussen, würde das einen völlig neuen Behandlungsansatz eröffnen. In Zukunft ließe sich womöglich eine Erkrankung so auch auf der Ebene des Mikrobioms mit einem Cocktail bestimmter Bakterienstämme behandeln oder zumindest deren Verlauf beeinflussen.
Auch wenn viele Details noch unklar sind, einig sind sich Wissenschaftler zumindest, dass sich ein gesundes Mikrobiom aus möglichst zahlreichen verschiedenen Arten zusammensetzt. Je größer die mikrobielle Diversität, umso weniger der im Darm ankommenden Nahrung bleibt für schädliche Eindringlinge übrig. Der Grundstein für ein vielfältiges Mikrobiom wird schon bei der Geburt gelegt. Bereits im Geburtskanal geht ein Teil der künftigen Darmbewohner auf das Neugeborene über. Auch enger Körperkontakt etwa beim Stillen sowie die ersten Mahlzeiten prägen das künftige Bild des individuellen Mikrobioms.