Bei einem Herzinfarkt zählt jede Minute |
Bei unklaren Beschwerden entscheiden sich viele Betroffene, erst einmal abzuwarten, die Symptome zu beobachten oder erst am nächsten Tag den Hausarzt aufzusuchen. Eine Fehlentscheidung, die Herzinfarktpatienten das Leben kosten kann. Denn: Wird ein verschlossenes Herzkranzgefäß nicht innerhalb weniger Stunden wieder geöffnet, stirbt das Muskelgewebe unwiederbringlich ab. Stirbt ein großer Teil des Herzmuskels ab, kann der übrige Herzmuskel den Körper nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Betroffene versterben innerhalb einiger Stunden oder weniger Tage am Multiorganversagen.
Eine weitere Komplikation, die ein Herzinfarkt mit sich bringen kann, ist das Herzkammerflimmern. Der geschädigte Herzmuskel gibt plötzlich elektrische Impulse in ungeordneter Reihenfolge und großer Häufigkeit ab, wodurch das Herz nur mehr zittert, aber kein Blut mehr pumpen kann. Betroffene werden bereits nach wenigen Sekunden bewusstlos und versterben innerhalb weniger Minuten am plötzlichen Herztod aufgrund des Herzstillstands.
Etwa 30 Prozent der Herzinfarktpatienten versterben, bevor sie ein Krankenhaus erreichen. Im Jahr 2021 waren dies nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 45.181 Menschen. Mediziner raten deshalb, bei weniger starken Schmerzen, Zweifel, ob es sich wirklich um einen Herzinfarkt handelt, oder Hemmungen, den Rettungsdienst zu rufen, zumindest in die nächste Brustschmerzeinheit (Chest Pain Unit, CPU) zu fahren. CPUs stehen allen Patienten mit akuten Brustbeschwerden rund um die Uhr offen. Eine Überweisung ist nicht notwendig.
Wer in eine CPU fährt, sollte das Auto nicht selbst steuern, und die CPU sollte nicht weiter als 30 Kilometer beziehungsweise länger als 30 Minuten Fahrt entfernt sein. Andernfalls sollte doch besser der Rettungsdienst kontaktiert werden. Hier gilt als Faustformel: Treten Beschwerden in einer bisher nicht bekannten Schwere auf, kann ohne Bedenken ein Rettungsdienst kontaktiert werden.
Kardiologen sind heute in der Lage, den Schaden, den ein Herzinfarkt am Herz erzeugt, zu minimieren oder im Idealfall ganz zu verhindern, wenn Patienten schnell behandelt werden. Die Therapie beginnt deshalb bereits im Rettungswagen mit Acetylsalicylsäure und Heparin. Das angesteuerte Krankenhaus wird verständigt, sodass beim Eintreffen direkt mit der Behandlung im Herzkatheterlabor begonnen werden kann. Unter lokaler Betäubung wird nun über eine Arterie am Handgelenk oder der Leiste ein Katheter bis zum Herz vorgeschoben und die Herzkranzgefäße untersucht. Ist die verengte Stelle gefunden, wird ein Ballon aufgeblasen, der die Verengung erweitert. Um das Gefäß dauerhaft offen zu halten, wird ein Stent eingesetzt. Bei Menschen mit schwerer KHK oder gleichzeitig bestehendem Diabetes kann ebenso wie bei Betroffenen, bei denen mehrere Blutgefäße verschlossen sind, eine Bypass-Operation, bei der das verengte Gefäß operativ überbrückt wird, in Erwägung gezogen werden.
Frauen sind bei der Behandlung eines Herzinfarktes im Vergleich zu Männern noch immer benachteiligt und ihre Chancen auf eine vollständige Genesung sind schlechter. Grund dafür ist, dass auch Mediziner nicht immer gleich einen Herzinfarkt als Ursache der Beschwerden vermuten. Mitunter werden Betroffene zunächst auf Magen- oder Verdauungsbeschwerden untersucht. Die EKG-Ergebnisse jüngerer Frauen werden seltener an Spezialisten in einem Herzinfarktzentrum weitergeleitet als dies bei Männern der Fall ist. Beides kann zu Verzögerungen bei der Diagnose und zu bleibenden Schäden am Herzmuskel mit nachfolgender Herzinsuffizienz führen. Eine Studie der Harvard Business School hat zudem gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit höher ist, an einem Herzinfarkt zu versterben, wenn Frauen von jüngeren männlichen Ärzten und nicht von älteren männlichen Ärzten mit mehr Erfahrung oder Ärztinnen behandelt werden.