Bei Parodontitis leidet der ganze Körper |
Die Zahnfleischentzündung lösen Bakterien aus, die sich oberflächlich auf den Zähnen, am Zahnfleischrand und in den Zahnzwischenräumen befinden. Der dentale Biofilm (Plaque) besteht aus Eiweißen, Polysacchariden, Zellbestandteilen und Mikroorganismen. Er entwickelt sich aus den weichen Zahnbelägen, die sich täglich auf den Zähnen bilden. Wenn die Mundhygiene nicht ausreicht, können sich weitere Bakterien, Speichelbestandteile und Nahrungsreste an die Beläge anlagern. Der Plaque verhärtet und lässt sich nicht mehr leicht entfernen. Wenn sich mineralische Speichelbestandteile wie Calciumsalze anlagern, wird der Plaque schließlich zu Zahnstein, den nur noch ein Zahnarzt entfernen kann. Die Bakterien im Biofilm können eine Entzündung des Zahnfleischs verursachen, die sich schließlich chronifizieren und auf den Zahnhalteapparat (Parodontium) übergehen kann. Wird solch eine Gingivitis behandelt, ist sie vollständig reversibel.
Bei der Parodontitis lockert sich der Verbund zwischen Zahnhalteapparat und Wurzeloberfläche. In den Spalt nisten sich Bakterien ein. Parodontopathogene Keime setzen zytotoxische Substanzen und proteolytische Enzyme wie Proteasen und Kollagenasen frei. Diese zerstören allmählich den Zahnhalteapparat. Zusätzlich werden die Strukturen durch die Immunantwort des Organismus geschädigt. Die Entzündung dringt tiefer in die Tasche ein und es geht immer mehr parodontales Gewebe verloren. Der Spalt zwischen Zahnfleisch und Zahn wird tiefer. Während bei gesunden Zähnen das Zahnfleisch bis zur Schmelz-Zement-Grenze des Zahnes reicht, vergrößert sich die Distanz bei geschädigtem Gewebe. Zahnärzte messen den Attachmentverlust als sogenanntes CAL (klinisches Attachmentlevel, Clinical Attachment Level). Radiologisch können sie einen Konchenabbau nachweisen.
Im Mundraum bereiten freiliegende Zahnhälse Beschwerden und stören kosmetisch. Wenn Zähne verloren gehen, beeinträchtigt das die Kaufunktion und die Ästhetik. Eine systemische Gefahr geht von Entzündungen und Abszessen in den Zahnfleischtaschen aus. Sie bilden ein Reservoir für Bakterien. Die Erreger können sich über die Blutbahn im Körper ausbreiten und Organe wie Herz oder Nieren angreifen. Es besteht ein Zusammenhang zwischen parodontalen Infektionen und systemischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus und kardiovaskulären Erkrankungen. Bei werdenden Müttern können die Infektionen Schwangerschaftskomplikationen Vorschub leisten.
Die Parodontitis kann in den Stadien I bis IV vorliegen. Das Stadium bestimmen Ärzte abhängig vom Schweregrad und der Komplexität der Erkrankung. Zur Behandlung gibt es die S3-Leitlinie »Die Behandlung von Parodontitis Stadium I bis III«. Dabei handelt es sich um die deutsche Implementierung der S3-Leitlinie »Treatment of Stage I–III Periodontitis« der European Federation of Periodontology (EFP). Die Therapieempfehlungen für das Stadium IV werden aktuell für Deutschland implementiert, sie existieren ebenfalls bereits als Leitlinie der EFP.
Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen alle zwei Jahre eine Früherkennungsuntersuchung des Zahnfleisches. Dazu erhebt der Zahnarzt den Parodontalen Screening Index (PSI). Das Gebiss teilt er dafür in sechs Regionen ein. Bei den Sextanten handelt es sich um zweimal Frontzähne plus viermal Seitenzähne rechts und links. Innerhalb der Sextanten vermisst der Zahnarzt an bis zu sechs verschiedenen Stellen die Zahnfleischtaschen mit einer speziellen, an ihrem Ende farblich in mehrere Abschnitte unterteilten Sonde. Die Taschentiefe, die Rauigkeit der Zahnoberfläche und die Blutungsneigung werden dokumentiert und Codes zugeordnet. Der Code 0 steht für parodontale Gesundheit, die Codes 1 und 2 für Gingivitis und die Codes 3 und 4 zeigen eine parodontale Erkrankung an.