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Gerinnungshemmer

Blutverdünnung als Balanceakt

Es gibt gute Gründe, medikamentös in die Gerinnung einzugreifen: um etwa eine Thrombose zu verhindern oder zu therapieren, Komplikationen in der Schwangerschaft vorzubeugen oder zur Schlaganfall- oder Herzinfarktprophylaxe. Für PTA-Forum der Anlass, die gängigsten Arzneistoffe genauer zu beleuchten.
AutorKontaktCarolin Antropov
Datum 23.04.2021  16:00 Uhr

Die Gerinnselbildung ist eine gefürchtete Komplikation von Covid-19 und nun auch der Impfstoffe von Astra Zeneca und Janssen. Doch auch jenseits des Coronavirus bringen zahlreiche Krankheiten oder Zustände bei Jung und Alt die Blutgerinnung aus der Balance: Seien es Herzrhythmusstörungen oder ein Stent, Operationen, Schwangerschaft oder Krebs. »Im Volksmund wird alles als Blutverdünner bezeichnet, was die Gerinnung in irgendeiner Form herabsetzt«, weiß Martina Schwald, Fachapothekerin für klinische Pharmazie der Krankenhausapotheke des Universitätsklinikums Heidelberg. Seit vielen Jahren berät sie auf der Station für Gefäßchirurgie Ärzte rund um die oft komplexe Medikation multimorbider Patienten. Ohne ein oder zwei »Blutverdünner« verließen diese das Krankenhaus quasi nie. »Natürlich reicht der Begriff nicht, um die tatsächlichen Vorgänge zu beschreiben.« Denn bei der Blutstillung greifen zelluläre und plasmatische Blutgerinnung komplex ineinander. Die primäre und sekundäre Hämostase beeinflussen sich wechselseitig und laufen teilweise gleichzeitig ab. Wirklich dünnflüssiger macht jedoch weder Marcumar® noch Aspirin® das Blut. Doch der Reihe nach.

Grundsätzlich können Arzneistoffe gemäß ihrer Wirkung, Applikationsart oder Indikation unterteilt werden. Zuerst ist wichtig, den Unterschied zwischen Thrombozytenaggregationshemmung und Antikoagulation zu verstehen. Thrombozytenaggregationshemmer (TAH) wie Acetylsalicylsäure (ASS) beeinflussen die primäre Hämostase (Blutstillung), indem die gebildeten Thrombozyten nicht aktiviert werden können und sie das Aneinanderkleben der Blutplättchen hemmen. TAH verhindern so die Bildung weißer Thromben. Diese sind zunächst instabil und bestehen zum Großteil aus Thrombozyten. Die sogenannte Blutungszeit (1 bis 4 Minuten) erfasst diesen Prozess.

Antikoagulanzien wie Phenprocoumon (Marcumar®) greifen hingegen in die plasmatische Blutgerinnung ein und wirken vereinfacht gesagt einem Blutgerinnselentgegen. Normalerweise vernetzt unter dem Einfluss von Thrombin und zahlreichen Gerinnungsfaktoren das Protein Fibrin mit Thrombozyten und Erythrozyten. Dadurch wird aus einem weißen Thrombus ein roter, also erythrozytenreicher Thrombus. Die gängigsten Laborparameter zur Beurteilung der Gerinnung sind aPTT, INR sowie der Quickwert. Das macht deutlich: TAH und Antikoagulanzien sind zwei Paar Schuhe! Sie setzen an verschiedenen Angriffspunkten an und unterscheiden sich deutlich in ihrem Einsatzgebiet.

Der bekannteste TAH ist die Acetylsalicylsäure. Sie verhindert als irreversibler COX-1-Hemmer die Bildung von Thromboxan A2, das die Thrombozytenaggregation sowie Gefäßkonstriktion stimuliert. Theoretisch genügen bereits 50 mg täglich, um kardioprotektiv zu wirken. Dafür müssen konstant etwa 95 Prozent der COX-1 blockiert sein. In Deutschland sind 100 mg einmal pro Tag etabliert. Manchmal treten gastrointestinale Beschwerden wie Sodbrennen, Völlegefühl oder Magenbeschwerden auf. Die Einnahme nach dem Essen erhöht die Verträglichkeit.

»Von magensaftresistenten Formulierungen rate ich grundsätzlich ab, da diese - falls sie nicht nüchtern eingenommen werden - im Magen kumulieren können«, erklärt Schwald. Die Nebenwirkungen seien ohnehin eher systemisch bedingt. Bei gleichzeitiger Anwendung von Ibuprofen müssen Patienten auf das Timing achten, erinnert sie: »Ansonsten kommt ASS nicht an seinen Wirkort, da sich Ibuprofen bildlich gesprochen querlegt.« Deshalb müsse ASS unbedingt 2 Stunden vor oder 6 bis 8 Stunden nach Ibuprofen genommen werden. Vor operativen Eingriffen darf die Einnahme von ASS übrigens auf keinen Fall eigenmächtig unterbrochen werden. Denn durch einen Rebound-Effekt kann die Therapiepause kardiale Ereignisse auslösen. Diese Gefahr übersteigt meist deutlich das Blutungsrisiko. Betroffene überlassen die Risikoabwägung also besser dem Fachmann.

Auch ADP-Rezeptor-Antagonisten beeinträchtigen die Thrombozytenadhäsion und -aggregation, indem sie den Signalweg unterbrechen. Die Wirkstoffe Clopidogrel (Plavix®) und Prasugrel (Effient®) wirken irreversibel. Ihre Wirkung hält nach dem Absetzen analog zu ASS noch einige Tage an. Beide Arzneistoffe sind Prodrugs und müssen erst in ihre aktive Wirkform metabolisiert werden. Prasugrel wird durch Esterasen und verschiedene CYP-Enzyme aktiviert, wobei Wechselwirkungen mit CYP-Inhibitoren kein Problem darstellen. Bei Clopidogrel treten hingegen immer wieder Therapieversager auf. Ein Grund dafür sind einerseits Interaktionen mit CYP2C-19-Hemmern: So sind etwa laut Schwald »Protonenpumpenhemmer und Clopidogrel nicht die besten Freunde. Omeprazol hemmt die Aktivierung ganz sicher, Pantoprazol wahrscheinlich eher nicht«. Andererseits besteht bei einigen Patienten ein Polymorphismus im CYP2C-19. Bei den sogenannten Slow-Metabolizern arbeitet das CYP-Enzym deutlich geringer, sodass zu wenig aktiver Wirkstoff im Blut zirkuliert. 

Ticagrelor (Brilique®) wirkt direkt und ist ein reversibler ADP-Rezeptor-Hemmer. Die Wirkung schwindet nach vergessener Dosis rasch, sodass Patienten eine gute Compliance brauchen, welche leider durch die zweimal tägliche Einnahme zusätzlich erschwert wird. Da Ticagrelor über CYP3A-4 abgebaut wird, ist die Liste der potenziellen Interaktionenspartner lang: Simvastatin (Substrat), Clarithromycin und Ritonavir (Inhibitoren), Johanniskraut, Rifampicin, Dexamethason und Carbamazepin (Induktoren).

»Clopidogrel ist beispielsweise zugelassen als Sekundärprophylaxe nach akutem Koronarsyndrom, Schlaganfall und peripherer arterieller Verschlusskrankheit«, fasst Schwald zusammen. »Nach einer Stent-Implantation folgt am Anfang die duale Plättchenhemmung.« Dabei werden ADP-Rezeptor-Antagonisten und ASS für wenige Monate miteinander kombiniert.

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