Fixiert auf Nahrung und Figur |
Binge-Eating bedeutet zu Deutsch ungefähr »Ess-Gelage«, also exzessives, übermäßiges Essen. Menschen mit einer Binge-Eating-Störung leiden unter wiederkehrenden Essanfällen, denen sie sich in aller Heimlichkeit hingeben.
Alles in sich hineinstopfen – und dann den Finger in den Hals, um zu erbrechen, so handeln Menschen mit Bulimie. / Foto: Getty Images/cream_ph
Sie verlieren dabei die Kontrolle und essen weit über die Sättigung hinaus – danach empfinden sie Ekel und Schuldgefühle. Anders als bei einer Bulimie werden nach dem Essanfall keine Gegenmaßnahmen ergriffen. Betroffene versuchen also nicht, die Kalorienflut durch Sport, Hungern oder Erbrechen zu kompensieren. In der Folge sind sie in der Regel übergewichtig oder adipös. Typisch ist auch hier das verminderte Selbstwertgefühl, die Unzufriedenheit mit der eigenen Figur und das Kreisen der Gedanken um dieses Thema. Gefühle wie Ärger, Wut, Traurigkeit oder Freude werden mit dem Essen heruntergeschluckt und nicht nach außen gezeigt. Die Heißhungeranfälle treten mindestens einmal pro Woche auf. In Folge des Übergewichts entwickeln sich häufig Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus und Arthrose.
Essstörungen, besonders Magersucht, können lebensbedrohlich werden. In Deutschland starben im Jahr 2017 78 Menschen aufgrund von Essstörungen – 46 an Magersucht. Menschen mit Magersucht tragen ein mehr als fünffach höheres Risiko zu sterben als Gleichaltrige ohne Erkrankung. Jeder fünfte der genannten Todesfälle bei Magersucht war eine Selbsttötung. Suizidales Verhalten ist auch bei Menschen mit Bulimie und Binge-Eating-Störung höher als bei der Gleichaltrigen.
Wenn Ärzte oder Psychotherapeuten eine Essstörung diagnostizieren, berücksichtigen sie dabei vor allem Faktoren wie gestörtes Essverhalten, vermindertes Selbstwertgefühl und negative Körperwahrnehmung. Das Körpergewicht wird selbstverständlich auch ermittelt, doch ist es für die Diagnose einer Essstörung nicht entscheidend. Der BMI ist nur eines unter mehreren Kriterien. Denn Menschen mit Bulimie, Binge-Eating-Störung oder atypischen Essstörungen können normalgewichtig sein, andererseits können Unter- oder Übergewicht auch andere Ursachen als eine Essstörung zugrunde liegen.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass es nicht die eine Ursache für Essstörungen gibt, sondern dass immer mehrere Faktoren zusammenkommen. Bei entsprechender genetischer Disposition können seelische Belastungen eine Essstörung auslösen, wenn beispielsweise auch mangelndes Selbstwertgefühl oder der Wunsch nach eigener Perfektion vorliegen. Essstörungen können auch körperliche Ursachen haben, zum Beispiel hormonelle Veränderungen sowie Über- oder Untergewicht.
Auch die familiäre Situation beeinflusst die Entstehung von Essstörungen. Das bedeutet allerdings nicht, dass zu Hause »etwas nicht stimmt«. Auch in ganz normalen Familien können Situationen und Konstellationen vorkommen, die für sensible Kinder und Jugendliche zum Problem werden. Allerdings gibt es auch sehr schwierige Situationen in Familien, an denen Kinder und Jugendliche leiden und die die Entwicklung einer Essstörung fördern können, wie Trennung der Eltern, Missbrauch, häusliche Gewalt und psychische Erkrankungen in der Familie.
Das extrem schlanke Schönheitsideal in westlichen Industrieländern, das durch entsprechenden Körperkult auf allen Kanälen verbreitet wird und damit verbunden die Reduktion eines Menschen auf die augenscheinlichen Vorzüge seiner optischen Erscheinung, kann bei Heranwachsenden das Gefühl auslösen, nicht richtig, nicht gut genug zu sein. Den gleichen Effekt können abwertende Bemerkungen von Mitschülern auslösen. Wer mit der eigenen Figur stark hadert, beginnt möglicherweise Diät zu halten, sich mit dem Essen einzuschränken oder viel Sport zu treiben. Je nach der sonstigen Konstellation kann dies den Weg in eine Essstörung bereiten.