Frühstarter und Spätzünder bei Babys |
Die motorische Entwicklung beginnt bereits früh in der Schwangerschaft. Ab der 8. Schwangerschaftswoche sind erste Bewegungen und damit einhergehende synaptische Verschaltungen auf spinaler Ebene nachweisbar. Neugeborene sind motorisch gesehen dennoch völlig hilflos. Ihre Körperbewegungen sind nur wenig koordiniert, die Kopfkontrolle ist nicht vorhanden, und das Fixieren von Objekten gelingt nur kurz. Erst ab dem 3. Lebensmonat schaffen sie es, Bewegungen gezielter zu steuern und den Kopf allein zu halten. Zum Ende des 3. Lebensmonats beginnen Säuglinge, immer gezielter zu greifen. Bis zum Ende des 6. Monats optimiert sich die Hand-Augen-Koordination, bis es schließlich gelingt, Gegenstände von einer in die andere Hand zu übergeben.
Mit der Fähigkeit zu krabbeln erweitert sich der Lebenskreis. / Foto: Adobe Stock/Kirill Ryzhov
Zwischen dem 7. und 9. Lebensmonat wird es Zeit, die Wohnung kindersicher zu machen. Babys lernen nun, sich vom Rücken auf den Bauch zu drehen, und viele schaffen es, sich robbend fortzubewegen. Die meisten Babys können jetzt auch frei sitzen und beherrschen den Scherengriff. Gegenstände, die außerhalb der unmittelbaren Reichweite liegen, werden interessant, und Babys erwerben die sogenannte Objektpermanenz. Sie schauen fallenden Gegenständen hinterher und finden versteckte Dinge. Zum Ende des ersten Lebensjahres können sich die meisten Kinder in irgendeiner Art und Weise fortbewegen. Manche robben, andere kriechen, krabbeln oder rutschen auf dem Po durch die Gegend. Wann ein Kind schließlich die ersten freien Schritte wagt, ist ganz unterschiedlich. Während Frühstarter schon mit neun Monaten frei gehen, lassen sich andere bis weit über den ersten Geburtstag Zeit. Spätestens mit 20 Monaten können schließlich alle Kinder, die sich normal entwickeln, laufen.
Eine normal verlaufende, fortschreitende motorische Entwicklung ist eine der wichtigsten Bedingung für die selbstbestimmte Erkundung der Umwelt und die zunehmende Erweiterung des Aktionsradius von Babys. Im ersten Lebensjahr schreitet sie besonders schnell voran und ist von außen sehr gut zu beobachten. Das kann bei den Eltern zu Verunsicherung führen, wenn ein Entwicklungsschritt nicht wie erwartet eintritt, das Baby sich länger Zeit lässt oder manche Punkte komplett überspringt.
Für Kinderärzte dient die motorische Entwicklung als einfach zu erhebendes Kriterium, um die Gesamtentwicklung eines Kindes abzuschätzen, da sie eng mit weiteren Entwicklungsschritten verknüpft ist. Im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen (U2 bis U10) wird der Entwicklungsstand deshalb regelmäßig nach dem sogenannten Grenzsteinkonzept überprüft.
Das Grenzsteinkonzept definiert obligatorische Entwicklungsziele, die von 90 bis 95 Prozent der normal entwickelten Kinder bis zu einem bestimmten Alter erreicht werden. Kommt es zu Abweichungen, besteht im ersten Lebensjahr meist kein Grund zur Sorge. Jedes Kind ist individuell, und gerade im Bereich der motorischen Entwicklung sind die Unterschiede beachtlich. Die Entwicklungskalender zeigen durchschnittliche Zeitspannen für das Erlernen einzelner Entwicklungsschritte auf, sie dürfen jedoch keinesfalls als starrer Entwicklungsweg verstanden werden. Während einige Kinder Schritt für Schritt einen Entwicklungsschritt nach dem anderen wie im Lehrbuch absolvieren, überspringen andere einige Passagen, lassen sich mehr Zeit oder gehen auch mal einen Schritt zurück.
Die Fähigkeit, auf den eigenen zwei Beinen zu stehen und zu laufen, gehört sicherlich zu den Meilensteinen in der Entwicklung von Babys erstem Jahr – der eine früher, der andere später. / Foto: Adobe Stock/Liddy Hansdottir
So lassen etwa 15 Prozent der Babys das Krabbeln komplett aus und bewegen sich nur auf dem Po rutschend vorwärts. Andere können sich an ihrem ersten Geburtstag noch nicht eigenständig von einem Ort zum anderen bewegen und ziehen sich wenige Tage später aus der Bauchlage in den Stand. Bei etwa 90 bis 95 Prozent der Kinder sind die Bewegungsauffälligkeiten zum Ende des ersten Lebensjahres verschwunden und werden deshalb erst einmal nur kinderärztlich überwacht. Erhärtet sich der Verdacht auf eine motorische Entwicklungsverzögerung, treten häufig weitere Auffälligkeiten auf. Die Ursachen dafür sind vielfältig und reichen von genetischen Faktoren über prä-, peri- oder postnatale Hirnläsionen bis hin zu Umweltfaktoren wie die Art und das Ausmaß von Bewegungserfahrungen.