Frühstarter und Spätzünder bei Babys |
Eine Schlüsselfunktion beim Erlernen des aufrechten Gangs tragen die Hüftgelenke. Etwa zwei bis vier Prozent der Neugeborenen werden mit einer Hüftreifestörung (Hüftdysplasie) geboren. Bei ihnen ist die Hüftgelenkpfanne zu flach, um dem Oberschenkelknochen genug Halt zu geben. In seltenen Fällen (<0,2 Prozent) ist die Hüfte so instabil, dass ein ausgerenktes Gelenk vorliegt (Hüftluxation). Die Hüftreifestörung gilt in Mitteleuropa als häufigste angeborene Erkrankung des Skelettsystems und führt unbehandelt zu Gangstörungen, Beinverkürzungen und starken Verzögerungen in der motorischen Entwicklung.
Seit 1996 werden in Deutschland die Hüften aller Neugeborenen zwischen der 4. und 6. Lebenswoche sonographisch untersucht. Babys mit Risikofaktoren (positive Familienanamnese, Fruchtwassermangel, Geburt aus Beckenendlage) werden bereits zwischen dem 3. und 10. Lebenstag untersucht. Wird eine Hüftreifestörung festgestellt, entscheidet das Ausmaß über die Behandlung.
In leichten Fällen reicht es aus, das Baby in den kommenden sechs Wochen »breit zu wickeln«, also über die eigentliche Windel eine zweite ungeöffnete zu wickeln. Ist die Hüftreifestörung stärker ausgeprägt, erhalten die Babys eine Spreizhose oder -schiene, die für etwa drei Monate getragen werden muss.
Im Fall der Hüftluxation wird der Hüftkopf eingerenkt und eine Abspreizschiene angelegt, die 24 Stunden täglich getragen werden muss. Sie hält die Hüftgelenke in Sitz-Hock-Position (»Froschstellung«) und ermöglicht damit ein gesundes Ausreifen der Gelenke. In seltenen Fällen versagt die Behandlung. Betroffene Kinder bekommen für vier bis sechs Wochen einen Sitz-Hock-Gips, manchmal ist auch eine Operation notwendig. Seit der Einführung des flächendeckenden Screenings konnte die Zahl der Kinder mit Spätfolgen sowie operativen Eingriffen deutlich reduziert werden.