Gesund mit Dr. Wald |
Barbara Döring |
03.04.2023 12:00 Uhr |
Mit allen Sinnen den Wald zu erleben, trägt zum Stressabbau bei. / Foto: Getty Images / Yolya
Eine Hummel summt, die Blätter rascheln, das Tackern des Spechts hallt von weit her – nur Naturgeräusche unterbrechen ab und an die Stille. Im Wald ist es ruhig, kein Stressgeräusch von Lastwagen, Laubbläsern, Lautsprechern zerrt an den Nerven. Die Luft trägt erdig-harzige Noten in die Nase. Beim Waldbesuch öffnen sich die Sinne, die Seele kommt zur Ruhe und die Stimmung steigt. So empfinden es zumindest viele Menschen. Denn immer mehr suchen den Wald nicht nur auf, um eben mal durchs Grün zu schlendern, sondern möchten bewusst mit allen Sinnen in den Geräuschen, Düften und der besonderen Atmosphäre des Waldes »baden«.
Dass der Waldbesuch die Stresshormone senkt, erkannten japanische Wissenschaftler schon vor vielen Jahren. Im Land der Kirschblüten spielt Naturverbundenheit seit jeher eine große Rolle. Shinrin Yoku – das Waldbaden – ist hier eine anerkannte Methode zur Stressreduktion und wird von Ärzten sogar auf Rezept verschrieben. Der Begriff tauchte Anfang der 1980er-Jahre bei einer Marketingkampagne auf, mit der das Ministerium für Landwirtschaft, Forsten und Fischerei die japanische Bevölkerung aufrief, mehr Zeit in der Natur zu verbringen. Shinrin Yoku blieb kein kurzlebiger Trend. Inzwischen beschäftigen sich Wissenschaftler weltweit mit der Wirkung von Wald und Natur auf die physische und psychische Gesundheit.
Neben der stressreduzierenden Wirkung zeigten sich in den Untersuchungen auch antidepressive und immunstimulierende Effekte sowie positive Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System mit Senkung von Blutdruck und Puls. Dabei spielen sowohl direkte als auch indirekte Effekte der grünen Umgebung eine Rolle. Studien zeigen, dass bestimmte Pflanzenstoffe aus der Gruppe der Terpene – die Phytonzide – das Stresshormon Cortisol messbar senken und ein Gefühl von Ruhe auslösen. Bäume und andere Pflanzen des Waldes geben diese flüchtigen organischen Verbindungen in die Luft ab, um Insekten abzuwehren und sich vor Pilzen und Bakterien zu schützen. In Untersuchungen steigerten Phytonzide zudem die Aktivität natürlicher Killerzellen, die durch ein Pestizid gehemmt war. Ein weiterer Hinweis auf eine immunstimulierende Wirkung zeigt ein Versuch, für den Probanden drei Nächte lang in einem Hotelzimmer Phytonziden ausgesetzt waren. Auch bei ihnen stieg die Zahl der natürlichen Killerzellen und die Konzentration des Stresshormons Adrenalin nahm ab. Ein direkter Zusammenhang lässt sich aus den Untersuchungen zwar nicht ohne Weiteres herstellen, denn auch indirekte Faktoren dürften eine Rolle spielen, zum Beispiel die geringere Lärmbelästigung und erhöhte körperliche Aktivität beim Aufenthalt im Grünen sowie die frische Luft, aus der Schadstoffe durch die Pflanzen weitgehend herausgefiltert sind.
Dass die meisten Mensch so positiv auf die Natur reagieren, könnte auch evolutionäre Gründe haben, wie Professor Meyer-Lindenberg vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde im letzten Jahr ausführte. Nach der Biophilie-Hypothese habe der Mensch im Laufe der Evolution eine Liebe zu den Habitaten entwickelt, die Leben ermöglichen. Deshalb würden Menschen heute einen Mischwald mit Fluss präferieren, so der Psychiater. Das zeigt eine Untersuchung, bei der die Probanden Landschaftsaufnahmen nach Schönheit bewerten sollten.