Giftige Gartenzierde mit biblischer Bedeutung |
Barbara Döring |
03.05.2024 13:00 Uhr |
Der gefleckte Aronstab hat eine raffinierte Technik entwickelt, um die Bestäubung durch Insekten sicherzustellen. / Foto: Adobe Stock/AGAMI
Im Frühjahr sprießen aus dem knolligen Wurzelstock des gefleckten Aronstabs 20 bis 40 cm hohe grundständige, pfeilförmige Blätter, die im Gegensatz zum weiß-marmorierten italienischen Aronstab (Arum italicum) meist braune Flecken aufweisen. Von April bis Juni erscheint der Blütenstand mit – von unten nach oben – weiblichen und männlichen Blüten, einem Kranz aus borstenartigen sterilen Blüten und zuoberst dem stabförmigen Kolben, dem die Pflanze ihren Namen verdankt.
Umgeben ist der Blütenstand von einem weiß-grünlichen, tütenförmig eingerollten Hochblatt (Spatha), das eine Kesselfalle bildet: Angelockt vom aasartigen Geruch des Kolbens gelangen Insekten ins Kesselinnere, das ihnen mit der ölig glatten Blattwand und dichten Härchen zur Falle wird. Im Inneren gefangen bestäuben die Insekten die weiblichen Blüten, worauf der Blütenstand in die männliche Phase übergeht. Darauf trocknet der ölige Film ein und die Härchen erschlaffen, sodass die mit Blütenstaub bedeckten Tiere ihrer Falle entkommen können. Angelockt vom nächsten Aronstab geraten die Insekten erneut in die Falle und die Prozedur wiederholt sich. Nach der Bestäubung zieht die Pflanze ihre Blätter ein. Erst im Herbst zeigt sich der Aronstab wieder mit einem auffälligen Fruchtstand mit zunächst grünen und später leuchtend rot gefärbten Beeren.
Der gefleckte Aronstab kommt vereinzelt in Süd- und Mitteleuropa vor und ist hierzulande der einzige heimische Vertreter seiner Gattung. Er wächst in schattigen und feuchten Laub- und Mischwäldern und ist unter Hecken zu finden. Als Zierpflanze wird die Pflanze zudem in Gärten kultiviert.
Gefleckter Aronstab (Arum maculatum)
Gattung Aronstab (Arum)
Familie der Aronstabgewächse (Araceae)
Alle Pflanzenteile des gefleckten Aronstabs sind giftig. Er enthält Scharfstoffe wie das Saponin Aroin, das Alkaloid Coniin sowie große Mengen Oxalate. Coniin wirkt zunächst erregend und später lähmend auf die quergestreifte Muskulatur. Die roten Beeren sind vor allem für Kleinkinder verlockend. Schon beim Verzehr geringer Mengen kommt es zu brennenden Schmerzen im Mund und auf der Zunge. Diese sind auf feine Schnittverletzungen durch die unlöslichen, kristallinen Calciumoxalate zurückzuführen.
Bei der Aufnahme größerer Mengen drohen Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall bis hin zu Herzrhythmusstörungen und Krampfanfällen. Anders als bei Weidevieh sind Todesfälle beim Menschen nicht bekannt.
Vom Pflücken ist abzuraten, da bereits die Berührung der Pflanze zu schweren Hautreizungen mit Taubheitsgefühl und Blasenbildung führen kann. Vorsicht geboten ist beim Sammeln von Bärlauch, unter dessen dichtem Blätterteppich sich der Aronstab oft versteckt. So geraten die giftigen Aronstabblätter immer wieder versehentlich ins Sammelkörbchen, obwohl die Ähnlichkeit nicht so groß ist wie zwischen Bärlauch und dem ebenfalls giftigen Maiglöckchen. Verwechslungsgefahr besteht vor allem bei sehr jungen Blättern, die noch keine Flecken aufweisen.
Bei Verdacht auf eine Vergiftung sollte man Pflanzenteile sofort aus dem Mund entfernen und eine der Giftnotrufnummern (siehe unten) oder den Notruf 112 wählen. Die Giftinformationszentren bieten rund um die Uhr telefonische Beratung bei Vergiftungen oder im Verdachtsfall. Als Erste Hilfe wird empfohlen, ein Glas stilles Wasser, Tee oder Saft zu trinken, um das Gift im Magen zu verdünnen. Nach Hautkontakt sollten betroffene Stellen unter fließendem Wasser abgespült werden.
Von der Antike bis ins 20. Jahrhundert wurde der Aronstab als Heilpflanze eingesetzt. Hildegard von Bingen nutzte die Tinktur und das Pulver aus der Wurzel bei Erkrankungen der Atemwege, bei Störungen des vegetativen Nervensystems und gegen Gelenksleiden. Heute kommt er nur noch in homöopathischen Zubereitungen zum Einsatz, etwa bei Entzündungen der oberen Atemwege und Heiserkeit, bei Sodbrennen und Aufstoßen, bei Muskelzuckungen sowie bei Rheuma oder Gicht.
Seinen Namen verdankt die Pflanze dem Stab es biblischen Hohepriesters Aaron, Bruder des Moses. Wie im Alten Testament geschrieben, ergrünte der Stab und trug Blüten und Früchte, als er zur Priesterweihe in den Wüstensand gesteckt wurde. Der gefleckte Aronstab war 2019 Giftpflanze des Jahres.
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