Kampf gegen das Vergessen |
Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen lassen sich heute nicht mehr erst posthum, sondern ohne Eingriff bereits zu Lebzeiten nachweisen. Bei der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) werden die charakteristischen Eiweißablagerungen im Gehirn mithilfe radioaktiv markierter Substanzen sichtbar gemacht. Weil die Untersuchung sehr teuer und nur in wenigen spezialisierten Zentren durchführbar ist, gehören PET-Scans derzeit allerdings nicht zur Standarddiagnostik.
Nachweisbar sind Beta-Amyloid und Tau-Fibrillen auch im Liquor. Die dafür notwendige Lumbalpunktion ist in der Regel schmerzfrei und dauert nur wenige Minuten. Bald schon könnte der Alzheimer-Nachweis noch einfacher und kostengünstiger werden: Ein erster Bluttest (PrecivityAD®), der die Konzentration zweier Beta-Amyloid-Varianten im Serum misst, erhielt bereits die EU-Zulassung. In Deutschland ist er aktuell jedoch noch nicht erhältlich.
Die Früherkennung der Alzheimer-Demenz wird in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen. Denn die Forschung hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht: Während eine Diagnose in der Anfangsphase der Erkrankung früher kaum therapeutische Konsequenzen hatte und eher zur Verunsicherung der Patienten und ihrer Angehörigen beitrug, gibt es heute erste vielversprechende Behandlungsmöglichkeiten, die das Fortschreiten der Erkrankung aufhalten oder sogar rückgängig machen können. Und weitere könnten in den nächsten Monaten hinzukommen.
Nach zahlreichen Fehlschlägen steht seit Anfang 2023 in den USA der erste Vertreter einer neuen Generation von Wirkstoffen zur Verfügung: Lecanemab (Leqembi®), ein monoklonaler Antikörper gegen Beta-Amyloid. Im November 2024 empfahl die Europäische Arzneimittelagentur (EMA), das Medikament auch in der EU zuzulassen. Die Europäische Kommission muss der Entscheidung noch zustimmen – das scheint sich in diesem Fall zu verzögern.
Alzheimer sichtbar machen: Mit PET-Scans können Amyloid-Ablagerungen schon im frühen Erkrankungsstadium erkannt und in Zukunft womöglich besser therapiert werden. / © Getty Images/Andrew Brookes
Anders als die bisher verfügbaren Behandlungen greift Lecanemab direkt in das Krankheitsgeschehen ein: Es heftet sich an Bestandteile der Amyloid-Plaques und gibt dadurch dem Immunsystem das Signal zu deren Abbau. Das bremst den Studien zufolge den Rückgang der geistigen Leistungsfähigkeit um etwa 30 Prozent. Die Patienten bekommen das Medikament alle zwei Wochen als Infusion in die Vene verabreicht. Die Behandlung ist allerdings nur für das Anfangsstadium der Alzheimer-Erkrankung zugelassen. Voraussetzung ist deshalb der frühe Nachweis von Beta-Amyloid im Liquor oder im PET-Scan.
Um das Risiko schwerer Nebenwirkungen zu reduzieren, verfügte die EMA außerdem, dass Lecanemab nur bei Menschen mit höchstens einer Kopie des Gens ApoE4 eingesetzt werden darf. Denn: Eine nachträgliche Auswertung der Zulassungsstudie hatte gezeigt, dass homozygote ApoE4-Träger anfälliger für Hirnschwellungen und -blutungen sind, die als Nebenwirkung unter der Antikörpertherapie auftreten können. Vor der Therapie ist also ein Gentest nötig. Auch für Patienten, die Blutverdünner (Antikoagulanzien) einnehmen oder an schlecht kontrollierbarem Bluthochdruck leiden, ist Lecanemab nicht geeignet. Die neue Behandlungsmethode kommt deshalb nur für einen sehr kleinen Teil der Alzheimer-Patienten infrage.
In den USA und in Großbritannien ist mit Donanemab (Kisunla®) bereits ein weiterer Vertreter der Antikörper-Wirkstoffe verfügbar. Er zeigte in Studien eine etwas bessere und länger anhaltende Wirksamkeit, ist aber von denselben Kontraindikationen betroffen wie Lecanemab. Bei beiden Medikamenten müssen sich die Patienten vor Beginn und während der Behandlung in vorgeschriebenen Abständen einer Magnetresonanztomografie (MRT) unterziehen, um mögliche Nebenwirkungen im Gehirn frühzeitig zu erkennen. Auch das schränkt den breiten Einsatz derzeit noch ein.