Wer eine Mischkost mit pflanzlichen und tierischen Produkten zu sich nimmt, hat zwar einen leichten Säureüberschuss. Dieser wird jedoch über Blut, Lunge und Nieren gut abgepuffert. Eine ernährungsbedingte Übersäuerung des Blutes kommt also in einem gesunden Organismus nicht vor. Selbst wenn beim Fasten Ketosäuren entstehen und damit eine leichte Azidose, gleichen die Puffersysteme diese bei ausreichender Flüssigkeitszufuhr ebenfalls aus.
Ob jedoch ein langfristig unausgewogener, säurelastiger Speiseplan die Puffersysteme überfordern und auf Dauer zur sogenannten latenten Azidose führen könnte, ist schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts ein Streitpunkt unter Experten. Wissenschaftliche Evidenz zu dieser Frage fehlt, viele Alternativmediziner sehen in dieser latenten Azidose jedoch die Ursache für verschiedene Befindlichkeitsstörungen, beispielsweise vermehrte Müdigkeit, geringere Belastbarkeit oder ein allgemeines Schmerz- und Entzündungsgeschehen. Der Blut-pH tendiere dann innerhalb des Normbereichs zum Sauren, so die Erklärung aus der Naturheilkunde, und die Puffersysteme steuerten dagegen. Die dazu benötigten Mineralien würden – sofern über die Nahrung kein ausreichender Nachschub erfolgt – aus Knochen, Muskeln und Bindegewebe entnommen. Chronische Veränderungen des Säure-Basen-Haushalts und des Mineralstoff-Gleichgewichts könnten schließlich biochemische Abläufe stören und Gewebe schädigen, so die Theorie.
Auch über Zusammenhänge zur Entstehung chronischer Erkrankungen wie Osteoporose, Sarkopenie, Typ-2-Diabetes, Rheuma, kardiovaskulärer und Nierenerkrankungen wird gemutmaßt sowie Einflüsse von pH-Dysbalancen auf psychische, demenzielle, virale und Krebserkrankungen diskutiert. Studien zeigen zwar teils positive Effekte einer basenbetonten Ernährung; wissenschaftlich ist ein Zusammenhang zwischen einer Übersäuerung der Körperzellen und dem Auftreten etwa von Osteoporose, Arterioskleorose oder bestimmten Tumoren bislang jedoch nicht belegt.
Dr. Stefan Kabisch, Studienarzt an der Medizinischen Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin der Charité Berlin, erklärte vor einigen Jahren gegenüber PTA-Forum, dass die Ernährung durchaus Einfluss auf den Säure-Basen-Haushalt und verschiedenste Erkrankungen habe. Ein Säure-Basen-Ungleichgewicht sei jedoch in den wenigsten Fällen der unmittelbare Verursacher der Erkrankungen, sondern ein Nebeneffekt.
Besonders in Bezug auf Knochen und Gelenke sind Säuren und ihre Salze seit Längerem in den Fokus der Wissenschaft gerückt. So stehen Phosphate, die sich in Softdrinks, Wurst, Schmelzkäse und Schokolade finden, in Verdacht, die Knochen brüchig zu machen. Bisher konnte aber nur in Tierstudien ein eindeutiger Zusammenhang zu Osteoporose gezeigt werden. Der Verzehr von säurebildendem tierischen Eiweiß führt zu einer ansteigenden Calciumausscheidung im Urin, jedoch nicht unmittelbar zur Calciumfreisetzung aus den Knochen. Ein langfristiges Ungleichgewicht zwischen Protein- und Calciumverzehr kann Osteoporose aber begünstigen.