Multiple Sklerose – »Krankheit mit 1000 Gesichtern« |
»Verunsicherung - Ein besseres Wort, gibt es wohl nicht für das, was Menschen mit Multipler Sklerose nach der Diagnose oft empfinden«, teilt die DMSG mit. Sei anfangs absolut nicht abzusehen, welchen Verlauf die Erkrankung nimmt, so müssten MS-Erkrankte lernen, mit dieser Verunsicherung zu leben.
Als Quelle für Motivation und Selbstmanagement, für Anregungen und Ideen käme besonders dem Engagement in Selbsthilfegruppen eine bedeutende Rolle zu. Der DMSG-Bundesverband besteht aus 16 Landesverbänden sowie derzeit 850 örtlichen Kontaktgruppen mit einem umfangreichen Dienstleistungsangebot für ihre Mitglieder. Im Jahr beraten haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter der DMSG bundesweit durchschnittlich mehr als 70.000 MS-Erkrankte und Angehörige. Bei regelmäßigen Aktivitäten könnten Erfahrungen oder Tipps zu allen Fragen und hier unter anderem auch zu Hilfsmitteln, (arbeits)rechtlichen Erkenntnissen, neuen Therapieoptionen oder auch zur Übernahme spezifischer Kosten ausgetauscht werden.
Besonders in Zeiten der Not wie jetzt in der Covid-19-Krise ist Kommunikation von besonderer Relevanz. Mehr denn je ist auch die Meinung von Experten gefragt. Auf der Homepage der DMSG geben Professor Dr. Ralf Gold und Professor Dr. Judith Haas vom Vorstand des Ärztlichen Beirates der DMSG Empfehlungen zum Thema »MS und Corona«.
MS-Patienten, die mit Interferon beta behandelt werden, sind nach Einschätzung der MS-Fachgesellschaft grundsätzlich nicht stärker gefährdet, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren, als gleichartige gesunde Personen. / Foto: Getty Images/Alan Majchrowicz
Sie betonen, dass MS-Erkrankte, die keine immunmodulierende Therapie erhalten oder mit Interferon beta beziehungsweise Glatirameracetat behandelt werden, grundsätzlich nicht mehr gefährdet sind als gleichartige gesunde Personen. Besteht eine stärkere Behinderung (Rollstuhl, Bettlägerigkeit) ist das Risiko für Atemwegsinfektionen generell erhöht, da die Lunge weniger gut belüftet ist. »Das heißt nicht, dass das Infektionsrisiko höher ist als bei Gesunden, aber das Risiko, bei einem Kontakt mit dem Corona-Virus schwer zu erkranken, ist größer«, sagen die Neurologen.
Eine Cortisol-Stoßtherapie könne das Infektionsrisiko kurzfristig steigern. Daher müsse der behandelnde Arzt bei leichten Schüben eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung vornehmen. Mit regelmäßigen, in Intervallen verabreichten Cortisol-Therapien sollte nach Einschätzung von Gold und Haas zunächst pausiert werden.
Ist eine Schubtherapie unumgänglich, so müsse anschließend ein erhöhter Schutz vor einer möglichen Covid-19-Infektion gewährleistet sein. Hilfreich und sinnvoll könne es sein, bei Berufstätigkeit gegebenenfalls eine begrenzte Arbeitsunfähigkeit in Anspruch zu nehmen.
Gold und Haas heben des Weiteren hervor, dass Dimethylfumarat bei normalen Lymphozytenzahlen nach derzeitigem Erkenntnisstand das Infektionsrisiko nicht steigert. Auch bei Teriflunomid sei bei den in der MS-Therapie eingesetzten Dosierungen ein verschärftes Infektionsrisiko nicht anzunehmen. Auch die Behandlung mit Natalizumab könne nach bisherigen Einschätzungen uneingeschränkt fortgeführt werden. Ein gesteigertes Risiko für Atemwegsinfektionen sei nicht gegeben.
Zwar existiere dieses Risiko bei der Therapie mit Fingolimod und Siponimod. Diese sollte dennoch fortgeführt werden, da bei Absetzen die Gefahr der Krankheitsaktivierung besteht. Gold und Haas betonen, dass therapeutische Neueinstellungen jedoch zum jetzigen Zeitpunkt sorgfältig zu überlegen sind.
Die Neurologen unterstreichen des Weiteren, dass bei T- und B-Zellen vermindernden und somit die körperliche Abwehr schwächenden Immuntherapien zum Beispiel mit Ocrelizumab, Rituximab (off label), Cladribin, Alemtuzumab oder Mitoxantron das Infektionsrisiko unmittelbar nach der Infusionsbehandlung zunehmen kann. Ohne die Gefahr der MS-Aktivierung könne besonders bei der Intervalltherapie mit Ocrelizumab und Rituximab gegebenenfalls eine Verlängerung der Intervalle erwogen werden.
Geht die Gabe von Cladribin unter anderem mit einer Senkung der Zahl der Leukozyten, also der für die Infektabwehr bedeutsamen weißen Blutkörperchen einher, so sei dieser Effekt unmittelbar nach der Applikation am stärksten. Auch hier sei eine individuelle Einschätzung der aktuellen Gefährdung unumgänglich. Steht der zweite Therapiezyklus an, sollte erwogen werden, diesen hinauszuschieben.
Bei der Immuntherapie mit Alemtuzumab könne die ebenfalls jährliche Gabe gleichermaßen zu einer lang anhaltenden Leukozyten-Modifikation mit einem erhöhten Infektionsrisiko führen. Auch hier sei derzeit die Notwendigkeit der Therapie-Wiederholung sorgfältig zu prüfen. Gold und Haas warnen, dass unter Berücksichtigung der Zulassungsänderung und des Rote-Hand-Briefes des Herstellers zu Alemtuzumab in der MS-Therapie vom Januar dieses Jahres Neueinstellungen zum jetzigen Zeitpunkt nur bei hoch aktiven Formen und dem Fehlen anderer therapeutischer Möglichkeiten angezeigt sind.
Am 30. Mai 2020 findet nun schon zum zwölften Mal in Folge der Welt-MS-Tag statt. Im Fokus der bundesweiten Aktionen steht dieses Jahr die Botschaft: Gemeinsam sind wir stärker als Multiple Sklerose!
Der jährlich stattfindende Welt-MS-Tag ruft weltweit zu Solidarität mit den MS-Betroffenen auf, will Aufmerksamkeit und Verständnis für deren Belange wecken sowie über die Erkrankung und ihre Auswirkungen auf alle Lebensbereiche aufklären. Eine Erkrankung mit MS bedeutet für viele Betroffene zunächst einmal einen tiefen Einschnitt in ihre Lebensplanung. Der diesjährige Aktionstag unter dem Motto „Miteinander Stark" soll Wege aufzeigen, wie Betroffene auch mit MS ein erfülltes Leben führen können. Hierfür stellt die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) positive Beispiele vor, die MS-Erkrankten helfen, ihre Chancen zu ergreifen und über Vorurteile aufzuklären.
Apotheken, die sich an dem Aktionstag beteiligen wollen, finden weitere Informationen unter www.dmsg.de/weltmstag.de.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.