Ohne Schlafdruck geht es nicht |
Im Laufe des Lebens verändert sich nicht nur die Schlafdauer, sondern auch die Schlafarchitektur. Neugeborene schlafen bis zu 16 Stunden täglich, wobei der REM-Schlaf davon bis zu 50 Prozent einnimmt. Das ändert sich rasch und pendelt sich auf einen Anteil von rund 20 Prozent ein. Erwachsene haben durchschnittlich einen Schlafbedarf von sieben bis acht Stunden.
Im Alter sinkt das Schlafbedürfnis: Bei älteren Menschen nehmen zusätzlich die Länge des Tiefschlafs und die Dauer des ununterbrochenen Schlafs ab. Zwei Drittel der Senioren benötigen länger zum Einschlafen als früher und erwachen mehrmals pro Nacht. Auch wenn sie nachts die Blase entleeren, danach aber rasch wieder einschlafen, ist das keine Schlafstörung. In diesem Fall können Schlafmittel sogar die Sturzgefahr erhöhen und zum Problem werden. Denn viele Stürze passieren nachts auf dem Weg zum WC. Kurzum: Senioren schlafen weniger tief und haben eine erniedrigte Weckschwelle, liegen also länger im Bett für weniger Schlaf. Das ist nicht krankhaft, sondern ein altersgerechtes Schlafprofil.
Doch ab wann ist gestörter Schlaf tatsächlich ein Problem? Kurz gesagt immer dann, wenn Patienten sich tagsüber nicht erholt fühlen und Leidensdruck besteht. Ärzte unterscheiden Einschlaf- und Durchschlafstörungen. Sie können primär sein oder als sekundäre Schlafstörung durch andere Erkrankungen hervorgerufen werden, wie beispielsweise das Restless-Legs-Syndrom. Die Beschwerden treten vor allem abends und in Ruhe auf und stören sowohl Einschlafen als auch den Tiefschlaf. Ärzten stehen von Eisensupplementierung über L-Dopa bis hin zu Opioiden und Antikonvulsiva verschiedene Medikamente in der Therapie zur Verfügung, während Sedativa nur selten eingesetzt werden.
Neben psychiatrischen Erkrankungen wie Depressionen steckt auch das Schlafapnoe-Syndrom gar nicht so selten hinter Schlafstörungen. Betroffene fühlen sich tagsüber müde und wenig leistungsfähig, während Bettpartnern oft ein lautes, unregelmäßiges Schnarchen auffällt. Bei Schlafapnoe treten Atempausen von mehr als zehn Sekunden auf. In über 90 Prozent werden sie durch einen Kollaps der Schlundmuskulatur ausgelöst. Es kommt dabei zur Obstruktion der oberen Atemwege durch nachlassenden Muskeltonus während des Schlafens.
Adipositas ist ein eigenständiger Risikofaktor für eine Schlafapnoe. Diabetiker, Patienten mit Vorhofflimmern und schwer einstellbare Hypertoniker sind besonders gefährdet. Klagen sie in der Apotheke über Schnarchen, sollte eine Abklärung durch den Arzt erfolgen. Basistherapie der Schlafapnoe ist die Normalisierung des Körpergewichts und natürlich der Verzicht auf Alkohol, Nikotin und apnoe-verstärkende Medikamente wie Schlafmittel. In schweren Fällen ist das Tragen einer Überdruckmaske für die Nacht erforderlich, um den Kollaps der oberen Atemwege zu verhindern. Dadurch sinkt das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall sowie Unfälle erheblich.
Bei der kardiorespiratorischen Polygrafie erhalten Patienten ein tragbares Gerät, das in der Nacht Atmung und Schnarchen, EKG und Sauerstoffsättigung aufzeichnet. Zusätzlich werden die Atembewegungen sowie die Körperlage erfasst. Die Untersuchung ist wegweisend, um schlafbezogene Atmungsstörungen wie Atempausen festzustellen, oder dient zur Kontrolle der Apnoetherapie mittels Überdrückmaske. Da die Untersuchung bequem zu Hause erfolgt, heißt sie auch »kleines Schlaflabor«.
Im Gegensatz dazu findet die Polysomnografie in speziell eingerichteten Schlaflaboren statt. Hierbei werden unter anderem zusätzlich die Hirnströme gemessen und Muskel- und Augenbewegungen aufgezeichnet. Das genaue Schlafprofil sowie die Untersuchung der Schlafarchitektur ermöglichen eine genaue Differenzialdiagnose spezieller Schlafstörungen.
Abends allzu lange vor dem Bildschirm zu sitzen, stört die Schlafhygiene. / Foto: Getty Images/tommaso79
Manchmal stecken Arzneimittel hinter Schlafstörungen, wie etwa orale Kontrazeptiva, anregende Antidepressiva (SSRI) oder Theophyllin. Wirkstoffe wie Citalopram werden daher üblicherweise morgens eingenommen. Gyrasehemmer führen als Nebenwirkung ebenfalls zu Insomnie, hier ist die Therapiedauer aber überschaubar. Da Betablocker und Alpha-Rezeptoragonisten wie Clonidin und Moxonidin die Melatonin-Bildung in der Zirbeldrüse hemmen, können sie ebenfalls den Schlaf beeinträchtigen. Nicht länger als 15 Minuten sollte die sogenannte Latenzphase dauern, also die Zeit vom wachen Zustand in die Schlafphase S2. Melatonin als freiverkäufliches Präparat kann die Einschlafdauer verkürzen. Einen Einfluss auf Durchschlafen hat die Anwendung nicht.
Bevor Betroffene jedoch zu Schlafmitteln greifen, sollten sie zuerst kritisch ihre Schlafhygiene unter die Lupe nehmen. Helles Licht wirkt am stärksten auf den Tag-Nacht-Rhythmus und hemmt die Melatonin-Ausschüttung. Bis spät abends vor dem Bildschirm oder Fernseher zu sitzen, ist daher keine gute Idee. Wird dann auch noch ein Krimi angesehen oder eine hitzige Diskussion geführt, kann das Einschlafen schwerfallen. Das gilt ebenso für Sport spätabends. Im Idealfall ist das Schlafzimmer eher zu kühl als zu warm. Da Koffein als Adenosin-Antagonist wirkt, sollte nachmittags auf Kaffee, Cola oder schwarzen Tee verzichtet werden. Alkohol und Nikotin sind besser ganz tabu.
Nach einem Glas Wein oder Bier am Abend klappt das Einschlafen meist ratzfatz. Tatsächlich bewirkt Alkohol bei Gesunden eine verstärkte Hemmung durch GABA-Rezeptoren sowie die Hemmung bestimmter NMDA-Rezeptoren. Zahlreiche weitere Effekte sind möglich, da Alkohol alle Neurotransmitter beeinflussen kann, die den Schlaf-Wach-Rhythmus steuern. Bei Gesunden verbessert das zunächst die Schlafeffizienz: Einschlafzeit und REM-Schlaf nehmen ab, der NREM-Schlaf wie Tiefschlaf nimmt zu. Diese Effekte betreffen typischerweise jedoch nur die ersten Stunden, während mit Absinken des Pegels die totale Schlafzeit abnimmt und sich der REM-Anteil wieder erhöht. Betroffene wachen häufiger auf, schlafen deutlich oberflächlicher und werden nicht selten von (Alb-)Träumen oder Herzrasen, Magenbeschwerden, Schwitzen oder Harndrang geplagt. Bei häufigem Konsum bedingt die Toleranzwirkung langfristig einen Wirkverlust, sodass beim Absetzen sogar eine ausgeprägte alkoholinduzierte Schlafstörung droht. Ärzte sprechen von »Rebound-Insomnie«, die Patienten zum erneuten Konsum zwingt. Als Schlafmittel ist Alkohol deshalb weder kurz- noch langfristig geeignet.